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Gespräch mit einer Kollegin

Eine Kollegin und ich sitzen in meinem Raum. Sie wird einige Schüler*innen von mir noch zusätzlich fördern. Wir besprechen mögliche Inhalte und bei welchen Themen die Schüler*innen noch besonders Unterstützung brauchen. Als wir das geklärt haben, fragt sie mich, ob ich noch Zeit hätte, dass sie mir von etwas anderem erzählen könne, das sie beschäftigt. Ja. Sie fängt an zu erzählen, dass sie nicht so recht wisse, woran sie mit dem neuen Schulleiter sei. Mal sei er offen und zugänglich, mal habe er einen sehr scharfen Ton drauf. Sie wisse nicht so recht, wo sie sich da positionieren solle. Ich höre ihr einfach zu. Immer mal wieder unterbreche ich sie und wiederhole das, was ich von ihr gehört habe. Sie stutzt ein wenig und erzählt dann weiter. Ich gebe keine Ratschläge und keine Tipps. Ich gebe keine eigenen Gedanken dazu. Ich bleibe ganz bei ihrem Thema und wiederhole in Abständen, was ich von ihr höre. Es entstehen Ruhepausen, in denen sie nachdenkt und dann fortfährt. Der Redefluss nimmt mit der Zeit ab und sie wird ruhiger. Ja, meint sie nach einer Weile, ich glaube, ich habe es: Ich warte einfach mal ab, wie sich die Situation so insgesamt entwickelt. Als wir den Raum verlassen, sagt sie: Es tut so gut, einfach nur mal erzählen zu können.

Hörst du manchmal einfach nur zu, wenn dir jemand etwas erzählt? Ohne Ratschläge und Tipps zu geben?

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Treiben lassen

Die Sonne scheint an diesem kalten Wintertag und lädt zum Spazierengehen ein. Erst laufe ich meinen üblichen Weg durch den Wald. Leider liegt er im Schatten. Ich möchte so gerne in der Sonne laufen. Zu selten hat sie sich in der letzten Zeit gezeigt. Also entscheide ich mich abzubiegen. Einen Moment lang laufe ich in der Sonne, bis auch dieser Weg schattig wird. Wieder biege ich ab und nehme den nächstmöglichen Weg, um in der Sonne zu gehen. Und so mache ich es nochmal und nochmal. Ich lasse los und lasse mich treiben. Ich mache mir keine Gedanken, wohin die Wege führen und ob ich den Weg zurück finde. Ich folge einfach nur der Sonne.
Nach einer ganzen Weile sehe ich Häuser am Waldrand. Ich frage eine Spaziergängerin, in welcher Richtung der Sportplatz liegt. Sie meint, ich solle am besten der Hauptstraße folgen. Nein, denke ich, ich will lieber einen Weg abseits der Hauptstraße finden. Ich laufe durch ein mir unbekanntes Wohngebiet, biege mal links ab, mal rechts. Auch hier lasse ich mich treiben. Ich laufe durch fremde Straßen, eine Sackgasse entlang, an deren Ende doch noch eine Treppe weiterführt. Als ich wieder Spaziergänger treffe, frage ich nochmals nach dem Weg Richtung Sportplatz. Ich finde den Eingang zu einem kleinen Park, den ich als Teil des Friedhofs erkenne und gehe weiter in Richtung meiner Wohnung.
Endlich wieder zu Hause angekommen, merke ich, wie erfüllt ich bin.
Die Menschen, die ich nach dem Weg gefragt habe, waren so freundlich und hilfsbereit. Und mich treiben zu lassen ist etwas, was ich sonst an neuen Urlaubsorten zu machen liebe. Ich streife gerne durch mir fremde Städte, biege mal rechts, mal links ab und lasse mich überraschen, welche Kirche oder welches Café mich an der nächsten Ecke erwartet. Genau dieses Urlaubsgefühl bringe ich von diesem Spaziergang mit nach Hause.

Wann hast du dich mal oder zum letzten Mal treiben lassen?  Wie hat es sich für dich angefühlt?

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Die Tramperin

Ich fahre auf den Markt nach St. Ingbert. Auf der Höhe des Freibades steht eine Frau und hält den Daumen raus. Ich halte an und nehme sie mit. Auf den wenigen Kilometern, die wir zusammen fahren, erzählt sie mir in Stichpunkten ihre Geschichte: Alkoholabhängige Eltern, Pflegefamilie, Missbrauch, Heimunterbringung, Leben auf der Straße, trampen, weil sie kein Geld hat. Ich höre zu. Ihr Bericht lässt mich verstummen. Was Menschen erleben und durchmachen müssen! In St. Ingbert angekommen, bedankt sie sich für das Mitnehmen. Ohne viel nachzudenken, ziehe ich einen Geldschein aus meinem Geldbeutel und überreiche ihn ihr. Sie stutzt, zögert: Nein, das wolle sie nicht. Bitte, sage ich. Sie nimmt ihn. Ob sie das Geld in Alkohol oder Zigaretten umsetzt? Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass ich in dem Moment so viel mehr Geld habe als sie und ihr gerne etwas davon abgebe.

Wann teilst du gerne? Was teilst du gerne?

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Wortwahl

In der “Beschwerde” steckt die Schwere und geht mit dem Wunsch einher, dass andere einem die Schwere abnehmen mögen. Wer sich “empört”, geht auf die Empore, um besser gesehen zu werden. Dies macht auf ein zentrales Bedürfnis aufmerksam: gesehen und gehört werden. Im “Lästern” taucht das Wort Last auf. Lästernde Menschen sind offenbar be- und geladen und suchen Entlastung.

Aus: Joachim Schaffer-Suchomel, “Du bist, was du sagst”

Link zur PDF-Datei mit dem Artikel “Wortwahl”:
http://www.brainfresh.net/wp/wp-content/uploads/2017/10/Artikel-WEGE-Wortwahl.pdf

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Berührung

Ich bin bei einer Freundin, wir kochen und essen zusammen. Später sitzen wir an ihrem PC und schauen uns etwas an. Sie geht auf die Toilette. Als sie zurückkommt, bleibt sie hinter mir stehen und legt mir die Hände auf die Schultern. Ich spüre die Wärme ihrer Hände und die Wohltat dieser Berührung. Wie lange bin ich in dieser besonderen Zeit schon nicht mehr berührt worden? Wie kostbar und wie wichtig Berührung ist! Was für ein Genuss! Dankbarkeit erfüllt mich für diese Geste.

Wann hast du zum letzten Mal eine andere Person berührt? Wann hat dich ein anderer Mensch zuletzt berührt?

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Aspirin

Es ist der erste Tag des zweiten Lockdowns. Ich bin in der Schule. Kopfschmerzen plagen mich. Ich frage eine Kollegin, ob sie ein Aspirin hat. Nein, leider nicht. Ich frage eine zweite Kollegin. Sie hat ein anderes Mittel dabei, das sie mir anbietet. Ich weiß, dass ich Aspirin gut vertrage und bevorzuge es. Ich frage weitere Kolleginnen. Neun insgesamt. Die neunte dann hat tatsächlich ein Aspirin für mich. Ich nehme es sofort ein und komme gut durch den Tag.
Später fällt mir auf, dass mich keine der angesprochenen Kolleginnen später gefragt hat, ob ich ein Aspirin bekommen habe und auch nicht, wie es mir ginge oder ob es mir jetzt besser ginge. Und ich weiß, dass wir an diesem Tag alle am Limit waren, gleichzeitig hätte ich mich über ein Wort oder eine kleine Geste gefreut.

Bin ich selbst immer achtsam, wie es meinem Gegenüber geht?, frage ich mich. Denke ich an ein Wort oder eine Geste für sie oder ihn?

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Einatmen

Ich habe ein Tagesseminar. Alle Teilnehmenden und ich müssen laut Hygienemaßnahmen ganztägig den Mundschutz tragen. In der Mittagspause setze ich mich alleine an ein offenes Fenster, ohne Mundschutz. Ich atme tief ein. Frischer Sauerstoff fließt in meine Lungen. Ganz bewusst spüre ich die Kühle der Luft und wie der Sauerstoff alle Lungenbläschen füllt. Endlich wieder frei atmen! Freude und Dankbarkeit erfüllen mich. Ich weiß nicht, wann und ob ich überhaupt schon einmal den Moment des Einatmens so bewusst wahrgenommen habe und die Freude und Dankbarkeit, die es auslösen kann.

Nimm dir einen Moment Zeit. Vielleicht trittst du vor die Tür oder auf den Balkon oder öffnest ein Fenster. Lenke deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Kannst du wahrnehmen, wie der Sauerstoff deine Lungen füllt?

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One Day

“Koolulam” ist eine Initiative, die gegründet wurde, um Menschen zusammenzubringen, indem sie gemeinsam Musik machen. Dafür haben sie sogar Preise bekommen. Die Menschen üben weniger als eine Stunde, bis sie ein Lied aufnehmen. Das folgende Lied singen sie in Arabisch, Hebräisch und Englisch (4:49 Min). Ich habe beim Anschauen des Videos Gänsehaut bekommen.

www.youtube.com/watch?v=XqvKDCP5-xE

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Drei positive Dinge finden

Ich gehe heute Morgen mit meiner Tasse Kaffee nach draußen. Über einem Busch steigt Dunst auf. Die Sonne, die auf den Busch scheint, lässt die Feuchtigkeit der Nacht verdunsten. Ich stehe da, betrachte das Bild und genieße.
Später am Nachmittag mache ich einen Spaziergang im Wald. Die Sonne hebt die verschiedenen Gelb-, Rot- und Brauntöne der Blätter leuchtend hervor. Es ist ein phantastisches Farbenspiel.
Ich setze mich auf eine Bank in der Sonne. Marienkäfer nutzen mich als Landebahn. Ich betrachte sie beim Rumkrabbeln und wie sie wieder abfliegen.

Welche drei Dinge waren heute für dich positiv? Schau genau hin! Es können auch ganz kleine Momente sein. Es gibt sie. Ganz sicher.

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