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Cappucino

Ich kaufe gern samstags auf dem Wochenmarkt ein, auch weil dort ein Café-Wagen steht, wo es köstlichen Cappucino gibt. Ich trinke jetzt wohl schon zwei Jahre lang recht regelmäßig einen Cappucino dort und habe schon öfters mit dem jungen Mann geplaudert. Jedes Mal fragt er mich, was ich möchte: Einen Cappucino.
Und ich erinnere mich. Vor einigen Jahren war ich im Frühjahr in Spanien. Da es noch in der Vorsaison war, war an dem Ort, wo ich war, noch alles geschlossen, bis auf ein Café. Jeden Tag bin ich dorthin spaziert und habe einen café con leche getrunken. Am zweiten oder dritten Tag kam ich in das Café und ohne zu fragen, brachte mir der Kellner meinen Milchkaffee. Und so blieb es für die restlichen Tage, die ich in dem Ort verbrachte. Erst jetzt durch die Erinnerung merke ich, was mir das bedeutet hat. Ich spüre, wie wohl ich mich gefühlt hatte, für eine kurze Weile zu den Stammgästen zu gehören und mit meiner Vorliebe gesehen und wahrgenommen zu werden.

Wo wirst du gesehen und wahrgenommen? Wo siehst du andere und nimmst sie wahr?

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10 Schritte

Ich komme etwa zur gleichen Zeit wie eine Kollegin morgens auf dem Schulparkplatz an. Sie parkt, steigt aus und geht in Richtung Schuleingang. Ich bin nur einige Sekunden langsamer als sie und gehe kaum 10 Schritte hinter ihr. Wie schade, denke ich, warum hat sie nicht auf mich gewartet und wir wären den Weg zusammen gegangen? Diese paar Schritte vom Parkplatz zum Eingang sind eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen und vielleicht auch mal ein paar private Worte zu wechseln, die sonst im Schulalltag keinen Platz haben.
Später am Tag denke ich, dass sie vielleicht schnell an den Kopierer wollte oder einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden war und nur hoffte, gut durch den Tag zu kommen. Und erst jetzt beim Schreiben denke ich: Ich hätte sie auch bitten können, langsamer zu gehen und auf mich zu warten.

Wo übersiehst du vielleicht die Chance, eine Situation zu deinen Gunsten zu beeinflussen?

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Mein Freund der Baum ist tot

Seit Jahren fahre ich über die Theodor-Storm-Straße zur Schule. Entlang der Straße war auf einer Seite bis vor kurzem eine freie Fläche, mit einer Wiese auf der Bäume standen. Jahrelang fuhr ich einmal auf dem Hinweg und einmal auf dem Rückweg daran vorbei. Die Bäume standen einfach da und ich habe sie nie besonders beachtet. Sie gehörten zum gewohnten Bild meines Schulweges. Und dann eines Tages sehe ich, dass die Bäume gefällt werden. Mit starken Motorsägen werden sie niedergemacht, die Stämme in Reih und Glied aufgestapelt, die Baumkronen auf einen großen Haufen geworfen, wie Abfall. Wie viele Sommer und Winter diese Bäume wohl erlebt haben? Die täglichen Auspuffgase, denen sie ausgesetzt waren! Wie viele Menschen haben sich an ihrem Grün erfreut? Ruhig und stolz standen sie da, über viele Jahre. Und dann werden sie einfach gefällt und sind nur noch ein Haufen störendes Gehölz, dass sich nicht wehren oder fliehen konnte.

Kennst du die Verbundenheit und die Nähe zur Natur? Zu Bäumen?

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Neid

Ein Kollege ist Ende Januar in Rente gegangen. An einem sonnigen Tag kommt er zur Schule geradelt. Entspannt und gut gelaunt plaudert er mit Kolleg*innen, die gerade Zeit haben. Ich mache einen großen Bogen um ihn. Warum, frage ich mich. Warum weichst du ihm aus? Als erstes fällt mir ein: Ich habe keine Zeit, ich muss in den Unterricht. Und dann erst dämmert es mir so langsam. Ich gebe es mir selbst nicht gerne zu: Ich bin neidisch. Ich beneide ihn so sehr darum, dass er sich nicht mehr mit Hygienemaßnahmen, Online-Unterricht, Lüftungsprotokollen, Wechselunterricht, Pausenaufsichten und lauten, unzufriedenen Schüler*innen auseinanderzusetzen braucht.

Kennst du Neid? Merkst du, wenn du neidisch bist?

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Aus dem (Lockdown-)Alltag ausbrechen

Es begann im November, im 2. Lockdown. Beim Surfen auf YouTube stieß ich auf viele ausländische Filme. In die meisten schaute ich nur kurz rein und klickte sie wieder weg. Bei anderen Filmen blieb ich hängen, die schaute ich mir dann in voller Länge an und schweifte mit ihnen in die Ferne. Mit einem argentinischen Protagonisten reiste ich durch die schier unendliche Pampa des Landes und tauchte in eine mir fremde Welt ein. Ich lauschte der unbekannten Fauna, betrachtete die fremde Flora und ließ mich von der Landschaft, der Hitze und den dortigen Gewohnheiten mitnehmen und fesseln. Für die Länge des Filmes war ich völlig und komplett dort. Bei Google Maps suchte ich anschließend nach dem Ort, an dem der Film spielte. Mit dem Routenplaner vollzog ich die Strecke nach, die der junge Mann zurückgelegt hatte und wie lange er dafür mit dem Bus unterwegs gewesen sein muss.
Nach einem brasilianischen Film googelte ich nach einem Gericht, das die Hauptdarsteller in einer Szene aßen und entdecke ein Nationalgericht Brasiliens. Ein Lied, das im Film gesungen wurde, begleitete mich tagelang und versetzte mich immer wieder an die Copacabana.
Mit einem schwedischen Film (mit deutschen Untertiteln) verbrachte ich kühle Sommerabende an einem See. Später schaute ich einige Vokabeln nach und weiß jetzt, was “Guten Morgen! Gut geschlafen?” auf Schwedisch heißt. God morgon! Sovit gott?

Wie und wovon lässt du dich begeistern, um aus deinem (Lockdown-)Alltag auszubrechen?

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Raumwechsel

Es ist jetzt ein Jahr her: Ich hatte 16 Jahre lang einen eigenen kleinen Raum in der Schule. Die Wände hatte ich mit einer Weltkarte und den selbstgemalten Länderflaggen der Herkunftsländer meiner Schüler*innen dekoriert. Ich fühlte mich sehr wohl in dem Raum. Es war wie eine kleine Oase für mich und sicherlich auch für den einen oder die andere Schüler*in. Dann sprach mich eine Person aus der Schulleitung an, der Raum würde gebraucht und ich solle umziehen. Ich sagte: Nein! Das blieb dann erst mal so stehen. Einige Wochen später, morgens zwischen Tür und Angel, sagte sie mir dann: Das ist jetzt eine Anweisung. Du ziehst um! Der Raum wird anderweitig gebraucht.
Ich zog in einen anderen Raum um.
Die Geschichte hat zwei Aspekte für mich: Die sachliche Ebene und die persönliche Ebene. Zum einen, dass ich “meinen” Raum aufgeben musste und zum anderen die Art und Weise, wie mir das mitgeteilt wurde. Inhaltlich kann ich durchaus nachvollziehen, dass der Raum für etwas anderes dringender gebraucht wurde. Auf der persönlichen Ebene jedoch hätte ein kurzes persönliches Gespräch den Schmerz für mich wesentlich gemildert, eine Erklärung, warum der Raum nun für andere Zwecke dringender gebraucht werde, vielleicht auch ein Bedauern, dass das nun notwendig sei. So lebt der Schmerz heute noch in mir.

Nehme ich mir angemessene Zeit, wenn ich jemandem etwas Wichtiges mitzuteilen habe? Und drücke ich Mitgefühl aus, wenn es etwas Unangenehmes ist?

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Das Eichhörnchen

Ich fahre zum Markt nach St. Ingbert. Am Ortsausgang, wo die Straße durch den Wald führt, sehe ich ein Eichhörnchen mitten auf der Gegenfahrbahn liegen. Es ist tot, aber noch unversehrt. Noch kein Auto ist drüber gefahren. Auf dem Rückweg, nach dem Einkauf, liegt das Eichhörnchen immer noch unversehrt auf der Straße. Es rattert in meinem Kopf: Lass ich es liegen? Es ist ja schon tot! Es ist doch egal, ob jetzt noch Autos drüber rollen oder nicht! Und dann macht es klick: Nein, es ist mir nicht egal! Ich halte an der nächstmöglichen Stelle. Ich laufe einige Meter zurück bis zu dem toten Eichhörnchen und suche mir herumliegende Äste. Ich habe noch nie ein Eichhörnchen von so nahem gesehen. Was für ein schönes Tier das ist! Mit den Ästen befördere ich es in den Graben und bedecke es mit Erde. Nein, ich konnte es nicht retten. Es ist tot und bleibt tot. Was sich für mich verändert hat? Dass es nicht von Autos überrollt und zerquetscht wird.

Hast du den Mut, etwas, das dir wichtig ist, auch dann zu tun, wenn es ungewöhnlich ist?

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Der LÜK-Kasten

In meinem Raum in der Schule ist ein Schrank, in dem viele meiner Unterrichtsmaterialien stehen. Einige davon habe ich auf eigene Kosten angeschafft, unter anderem auch sechs LÜK-Kästen. Die habe ich bei Ebay ersteigert und nutze sie immer wieder im Unterricht. Den Schrank kann ich abschließen und tue das auch. Alle Schränke in allen Klassen haben den gleichen Schlüssel und alle Lehrer*innen haben einen Schlüssel dafür. An diesem Tag öffne ich den Schrank, weil ich etwas brauche und ein LÜK-Kasten fällt mir buchstäblich entgegen. Als ich ihn greifen will, fallen die Plättchen heraus. Ich bemerke, dass viele Plättchen fehlen. Sofort rasselt es durch meinen Kopf: Wer meiner Kolleg*innen hat sich hier bedient und den LÜK-Kasten unvollständig zurückgestellt? Wie soll ich rausfinden, wer sich da bedient hat? Muss ich jetzt einen neuen LÜK-Kasten besorgen? Ich merke, wie die Wut in mir hochsteigt. Ich werde sofort ein gepfeffertes Rundmail an alle Kolleg*innen schreiben und fragen, wer den LÜK-Kasten ausgeliehen hat und die Person um einen neuen, vollständigen bitten. Bis ich nach Hause komme, kann ich mich mit Mühe ein bisschen beruhigen. Eine leise Stimme in mir flüstert mir zu: Warte bis nächste Woche! Warte, bis du nächste Woche wieder in der Schule bist und schau noch mal genau nach! Ich warte. Am Wochenende kann ich das Thema Gott sei Dank vergessen. Als ich in der nächsten Woche wieder in der Schule bin, gehe ich morgens als erstes an den Schrank und prüfe, ob die Plättchen nicht vielleicht schon beim Herausziehen des Kastens rausgefallen sind und diejenige ihn deswegen hat stehen lassen. Und tatsächlich liegen zwischen Büchern versteckt die Plättchen. Ich sammle sie ein und der unvollständige Kasten ist wieder komplett. Ich bin so erleichtert: Einmal darüber, dass ich keinen neuen LÜK-Kasten brauche und zum anderen, dass ich das Mail an alle Kolleg*innen nicht geschrieben habe.

Nimmst du deine innere Stimme wahr? Und hörst du auf sie?

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