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In der Schlange stehen

Ich bin auf dem Markt und stelle mich vor einem Stand in die Schlange. Ich lasse extra noch etwas Platz vor mir, um den Durchgang nicht zu blockieren. Ein älteres Ehepaar kommt und stellt sich, ohne sich umzuschauen, in die Lücke vor mir. Ich spreche sie darauf an und sage ihnen in einem freundlichen Ton, dass ich auch in der Schlange stehe. Der Mann reagiert sehr heftig: “Regen Sie sich doch nicht so auf!” Ich bin verblüfft. Ich bin gar nicht aufgeregt. Ich möchte lediglich mitteilen, dass die Schlange hinter mir endet. Das versuche ich noch einmal zu vermitteln, immer noch freundlich. Wieder kommt eine heftige Reaktion und der Mann schnauzt mich an: “Warum regen Sie sich so auf?” In der Zwischenzeit ruft vorne am Stand eine Verkäuferin: “Nächste bitte!”. Ich gehe an dem Ehepaar vorbei nach vorne. Ich kaufe nur eine Sache ein und hoffe, dass das Ehepaar nach mir schnell drankommt. Auf dem Weg zum Auto atme ich einmal tief durch und lasse das Erlebnis los. Ich habe mein Bestes getan: Ich war freundlich und bin freundlich geblieben. Wenn mein Gegenüber einen Vorwurf hört, bin ich nicht dafür verantwortlich.

Wenn du deine Worte mit Bedacht wählst und freundlich bleibst und das Gegenüber trotzdem heftig reagiert, kannst du die Situation hinter dir lassen und brauchst du dich nicht weiter mit ihr zu befassen.

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In der Balance bleiben

Ein Nachbarin denkt, das Impfen gegen Corona sei gefährlich. Sie lasse sich auf keinen Fall impfen. Da steckten doch ganz andere Gründe dahinter, warum die Regierung wolle, dass die Menschen sich impfen lassen. In so vielen Videos würde das gesagt. “Siehst du nicht, dass da was nicht stimmt?”, will sie mich überzeugen. Ich erwidere: “Ich bin nicht vom Fach und keine Wissenschaftlerin. Ich kann weder sagen, dass es wichtig ist, sich impfen zu lassen, noch kann ich belegen, dass es gefährlich ist, sich impfen zu lassen. Wie soll ich wissen, wer Recht hat?” Und füge noch hinzu: “Ich kann nur auf mein eigenes Bauchgefühl hören und das machen, was für mich stimmig ist.” Ich bleibe in der Balance. Ich kann ihre Ängste hören und sie so stehen lassen, ohne dagegen zu argumentieren und ihr gleichzeitig mitteilen, wie ich die Sache sehe.

Gibt es Situationen, wo du die Balance verlierst und anfängst zu argumentieren? Kannst du dir vorstellen, der anderen Person ihre Meinung zu lassen und zu denken: “Das ist ja interessant, so verschiedene Ansichten gibt es also zu dem Thema! Das ist ihre Meinung. So denkt sie. Und ich habe eine andere Meinung dazu.”

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Unterbrechen oder dazugehören?

Eine ältere Frau aus Litauen betreut rund um die Uhr meinen 96-jährigen Vermieter. Sie spricht nur gebrochen Deutsch. Eine jüngere Litauerin kommt zusätzlich noch jeden Tag für ein paar Stunden. Sie spricht fließend Deutsch. Oft plaudern wir, wenn sie Arbeiten ums Haus erledigt. Ganz oft gesellt sich dann die Ältere dazu und die Jüngere übersetzt. Es hat mich immer irritiert: “Warum kann die Ältere uns nicht in Ruhe reden lassen? Warum muss sie immer dazukommen, uns unterbrechen und sich einmischen?”, dachte ich jedes Mal. Und dann eines Tages legt sich ein Schalter um und ich denke: “Vielleicht möchte sie einfach nur Gesellschaft haben und dazugehören!”

Wo glaubst du ganz sicher zu sein, dass eine Person etwas aus einem bestimmten Grund tut? Und kannst du dir vorstellen, dass sie es auch aus einem ganz anderen Grund tut?

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Vorurteil

Ich surfe bei YouTube und entdecke einen Bericht über eine Flugkapitänin. Ich klicke auf den Bericht und schaue ihn mir ganz fasziniert an. Ein Kamerateam begleitet eine Flugkapitänin, die Co-Pilotin und drei Flugbegleiterinnen auf drei Flügen nach Porto und Barcelona. Was fasziniert mich so an dem Bericht? Das frage ich mich. Dass Frauen Piloten sind? Ich traue es Frauen durchaus zu, ein Flugzeug zu fliegen. Das will ich nicht in Frage stellen. Es geht dabei um Wissen und Erfahrung und das können Frauen ja genauso erwerben wie Männer. Und doch stolpere ich über etwas. Würde mir ein Mann sagen, er sei Pilot, würde ich ihm das sofort glauben. Würde mir eine Frau sagen, sie sei Pilotin, würde ich innerlich erst mal stutzen. Bei längerem Forschen entdecke ich in mir doch ein althergebrachtes Bild: In Risikoberufen traue ich Männern mehr zu. Ich freue mich, meinem eigenen Denken wieder mal auf die Schliche gekommen zu sein und bin bereit, mich einem neuen Gedanken zu öffnen: Ich traue Frauen genauso viel zu!

Wo entdeckst du althergebrachte Denkweisen in dir? Bist du bereit, sie loszulassen und dich neuen Gedanken zu öffnen?

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Die Glühbirne

Die Glühbirne in meiner Schreibtischlampe ist kaputt. Ich überlege, wo ich eine neue kaufen könnte. Ich versuche es zuerst bei Edeka. Nein, die haben nicht die, die ich brauche. Welches Geschäft in der Nähe könnte noch Glühbirnen haben? Ich fahre zu Real, aber auch die haben nicht die passende. Also muss ich doch zum Bauhaus fahren? Das verschiebe ich auf morgen.
Abends gucke ich doch nochmal in meinem Badezimmerschrank nach. In einem Fach bewahre ich alles mögliche auf. Ich räume alles raus, um auch das sehen zu können, was ganz hinten liegt. Und tatsächlich finde ich da eine passende Glühbirne für meine Schreibtischlampe. Jetzt kann ich mich entscheiden, was ich denken will: Wie gut, dass ich noch eine habe und nicht auch noch zum Bauhaus fahren muss! Oder: So was Blödes! Jetzt bist du dafür extra zu Edeka und Real gefahren. Da hättest du auch mal vorher im Badezimmerschrank nachgucken können! Ich entscheide mich, mich zu freuen. Ich habe eine gefunden und muss nicht zum Bauhaus.

Bemerkst du, wenn du negative Gedanken über dich selbst hast? Versuch doch mal, sie zu stoppen und überlege dir, was du vielleicht  Positives denken kannst?

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Cappucino

Ich kaufe gern samstags auf dem Wochenmarkt ein, auch weil dort ein Café-Wagen steht, wo es köstlichen Cappucino gibt. Ich trinke jetzt wohl schon zwei Jahre lang recht regelmäßig einen Cappucino dort und habe schon öfters mit dem jungen Mann geplaudert. Jedes Mal fragt er mich, was ich möchte: Einen Cappucino.
Und ich erinnere mich. Vor einigen Jahren war ich im Frühjahr in Spanien. Da es noch in der Vorsaison war, war an dem Ort, wo ich war, noch alles geschlossen, bis auf ein Café. Jeden Tag bin ich dorthin spaziert und habe einen café con leche getrunken. Am zweiten oder dritten Tag kam ich in das Café und ohne zu fragen, brachte mir der Kellner meinen Milchkaffee. Und so blieb es für die restlichen Tage, die ich in dem Ort verbrachte. Erst jetzt durch die Erinnerung merke ich, was mir das bedeutet hat. Ich spüre, wie wohl ich mich gefühlt hatte, für eine kurze Weile zu den Stammgästen zu gehören und mit meiner Vorliebe gesehen und wahrgenommen zu werden.

Wo wirst du gesehen und wahrgenommen? Wo siehst du andere und nimmst sie wahr?

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10 Schritte

Ich komme etwa zur gleichen Zeit wie eine Kollegin morgens auf dem Schulparkplatz an. Sie parkt, steigt aus und geht in Richtung Schuleingang. Ich bin nur einige Sekunden langsamer als sie und gehe kaum 10 Schritte hinter ihr. Wie schade, denke ich, warum hat sie nicht auf mich gewartet und wir wären den Weg zusammen gegangen? Diese paar Schritte vom Parkplatz zum Eingang sind eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen und vielleicht auch mal ein paar private Worte zu wechseln, die sonst im Schulalltag keinen Platz haben.
Später am Tag denke ich, dass sie vielleicht schnell an den Kopierer wollte oder einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden war und nur hoffte, gut durch den Tag zu kommen. Und erst jetzt beim Schreiben denke ich: Ich hätte sie auch bitten können, langsamer zu gehen und auf mich zu warten.

Wo übersiehst du vielleicht die Chance, eine Situation zu deinen Gunsten zu beeinflussen?

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Mein Freund der Baum ist tot

Seit Jahren fahre ich über die Theodor-Storm-Straße zur Schule. Entlang der Straße war auf einer Seite bis vor kurzem eine freie Fläche, mit einer Wiese auf der Bäume standen. Jahrelang fuhr ich einmal auf dem Hinweg und einmal auf dem Rückweg daran vorbei. Die Bäume standen einfach da und ich habe sie nie besonders beachtet. Sie gehörten zum gewohnten Bild meines Schulweges. Und dann eines Tages sehe ich, dass die Bäume gefällt werden. Mit starken Motorsägen werden sie niedergemacht, die Stämme in Reih und Glied aufgestapelt, die Baumkronen auf einen großen Haufen geworfen, wie Abfall. Wie viele Sommer und Winter diese Bäume wohl erlebt haben? Die täglichen Auspuffgase, denen sie ausgesetzt waren! Wie viele Menschen haben sich an ihrem Grün erfreut? Ruhig und stolz standen sie da, über viele Jahre. Und dann werden sie einfach gefällt und sind nur noch ein Haufen störendes Gehölz, dass sich nicht wehren oder fliehen konnte.

Kennst du die Verbundenheit und die Nähe zur Natur? Zu Bäumen?

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