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Geschichten schreiben

Ich habe Freude am Schreiben und ich schreibe, ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Nicht ich suche die Ideen zu den Geschichten, sondern die Ideen rufen mich. Ich erlebe meinen Alltag, etwas ereignet sich und ich spüre, wie die Situation sich in mir zu Worten kondensiert. Manchmal taucht ein Bild aus der Vergangenheit auf und drängt sich in mein Bewusstsein. Ich halte einen Moment inne und spüre, wie es sich fast von alleine in Worte fasst. Oder ein Gefühl macht sich in mir breit, die Vorfreude auf den Frühling oder die Wärme der Sonne, und Worte steigen an die Oberfläche. Es wirkt wie eine Verweigerung auf mich, diese Worte zu ignorieren und ihnen keinen Raum zu geben, ähnlich wie einem knurrenden Magen keine Nahrung zu geben.

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Nie fertig

Es gibt viel zu tun. An den Hochbeeten für den Salat will ich alle Spalten abdichten. Der Kompost will gewendet werden. Alle Beetkanten im Garten will ich mit dem Akkuschneider freischneiden. Die Beete will ich mit fertigem Kompost düngen und für die neue Aussaat vorbereiten. Die Hecken will ich schneiden. Die Erde zwischen den Obststräuchern will ich auflockern und harken. Und jedes Mal sehe ich etwas anderes, was auch noch getan werden will. Ich fange mit einer Sache an und beende sie. Ich mache eine Pause und setze mich in die Sonne. Ich genieße die ersten wärmenden Sonnenstrahlen in diesem Frühjahr. Ich schaue mich um und schon sehe ich das nächste, was getan werden will. Ich sehe auf und mache mit dem weiter, was mir gerade aufgefallen ist. Dafür fällt eine Sache von meiner vorgenommenen To-Do-Liste herunter. Das mache ich dann das nächste Mal, nehme ich mir vor. Und so geht es Mal um Mal. Eine neue Aufgabe kommt hinzu, eine andere fällt hintenrunter oder ich erledige sie nur zum Teil, weil ich keine Energie mehr habe oder die Zeit nicht reicht. Und ich schaffe immer nur einen Bruchteil von dem, was anliegt. Ich verlasse jedes Mal den Garten mit nicht erledigten Aufgaben. Und jedes Mal kostet es mich ein Stück Überwindung, etwas unerledigt zurückzulassen.

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Nachbarn

Wenn ich in der Küche bin, bekomme ich mit, was auf dem Parkplatz so passiert. Die Bewohner des Hauses parken ihr Auto oder gehen zu ihrem Auto oder bringen Müll weg. Die meisten von ihnen höre ich gar nicht, nur die Autotür, die zuschlägt und dann das Motorengeräusch, wenn sie wegfahren. Manchmal höre ich Familien, die miteinander reden, wenn sie ankommen oder abfahren. Mal höre ich Kinder, die spielen, selten mal ein weinendes Kind. Und dann gibt es Nachbarn, die mit dem Smartphone am Ohr zum Auto gehen und das Gespräch weiterführen, ungeachtet dessen, ob andere es mithören oder nicht. Oder sie bringen ihren Müll raus, mit einer Zigarette im Mundwinkel, und schreien ihren Kindern über den Hof hinweg mehrmals lautstark zu, immer noch lauter werdend und in einem zunehmend schneidenden Tonfall: „Moment…! Ich bringe gerade den Müll weg!“

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Tasty and Soft Beetroot Idiyappam

Ich schaue mir das Video ‚Tasty and Soft Beetroot Idiyappam‘ an, ein ‚Breakfast Recipe‘ auf YouTube. Mit völliger Ruhe bereitet eine Südinderin ein regionales Gericht in einer traditionellen Küche zu, auf einem Herd mit einem offenem Holzfeuer, ohne fließend Wasser und mit Krügen aus Ton. Das Ganze ist nicht von Hintergrundmusik untermalt. Es sind nur die Geräusche zu hören, die sie in der Küche beim Kochen macht und im Hintergrund fremde Naturgeräusche. Das Video nimmt mich gefangen, sowohl von der Bedächtigkeit bei der Zubereitung her als auch von der Natur drumherum. Die Küche muss ein offener Raum sein, dass die Natur so direkt wahrzunehmen ist. Ich höre Vogelgezwitscher, und vielleicht einen Pfauenruf? Und viele andere Tierlaute, die ich nicht einordnen kann. Das Video nimmt mich mit in eine mir völlig fremde Welt.

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Leyla II

Leyla war seit fast zwei Jahren in Deutschland. Sie konnte noch keinen zusammenhängenden Satz auf Deutsch sagen. Zuerst fing ich mit dem Alphabet an, danach gab ich ihr das erste einfache Deutschlernheft. Ohne große Begeisterung machte sie die Aufgaben darin. Ich wunderte mich nur, dass sie keinen der Sätze oder auch nur einen Teilsatz daraus wiedergeben konnte, waren es doch wirklich leichte Anfängerübungen. Nachdem sie die Antworten niedergeschrieben hatte, gab ich ihr das Folgeheft. Es kostete sie sichtlich viel Anstrengung, die Aufgaben zu machen. Wieder schrieb sie lustlos und mehr mechanisch. Wenn ich ihr einfache Fragen zu den Sätzen stellte, konnte sie nicht antworten, und neue Wörter konnte sie sich partout nicht einprägen. Manchmal trieb ich sie an und drängte sie, bitte mehr zu üben, manchmal reagierte ich verärgert. Im dritten Lernheft kam sie schließlich an ihre absolute Grenze. Sie konnte sich auf der Seite gar nicht mehr orientieren und konnte keine der Aufgaben auch nur ansatzweise beantworten.
Ich war ratlos. Was sollte ich nur machen? Beim Spracherwerb geht es um Aufbau. Und was mache ich, wenn es keinen Fortschritt gibt und so gut wie nichts, um darauf aufzubauen? Ich hatte alles ausprobiert, was mir eingefallen war. Ratlos und frustriert legte ich das dritte Heft beiseite und ersetzte es wieder durch das zweite. Sie machte es zum zweiten Mal. Die Aufgaben löste sie jetzt etwas schneller, da gab es schon Fortschritte, aber sie machte die Übungen dennoch, als würde sie sie zum ersten Mal sehen. Anscheinend erkannte sie keine einzige der Aufgaben wieder. Ich war perplex. Warum nur ließen sich bei Leyla so gar keine Lernfortschritte erzielen? Nichts von dem, was ich anzubieten hatte, half ihr merklich weiter.
Mir fiel am Ende nichts anderes mehr ein, als mich Leylas Tempo einfach anzupassen. Und daraufhin veränderte sich etwas in mir. Ich konnte meinen Ehrgeiz für sie und meine Vorstellung von ihrem Lernen loslassen und begleitete sie mit mehr Ruhe und Wohlwollen einfach nochmal durch dasselbe Heft.
Wie lange hatte es gedauert, bis ich meine Ansprüche einfach loslassen und mich auf genau das einlassen konnte, was ich bei Leyla erlebte. Würde ihr das am Ende nicht sogar am meisten helfen?

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Drei Tage lang

Ich gebe ein Dreitageseminar und führe die 14 Teilnehmenden in die Gewaltfreie Kommunikation ein. Am ersten Tag sind alle zurückhaltend und warten ab, was so auf sie zukommt. Wir sitzen beim Frühstück zusammen, mittags und beim Abendessen und plaudern. Am zweiten Tag sind alle entspannter und die Pausen werden immer länger. Das ist ein gutes Zeichen, es heißt, dass die Teilnehmenden ins Reden kommen und sich öffnen. Neben den Seminarinhalten tauschen wir uns auch über Privates aus. Auch ich gebe Einblick in mein Leben und erhalte Einblicke in mir ganz fremde Biografien. Wir wachsen immer mehr zusammen, die Atmosphäre wird immer vertrauter. Ich lerne Menschen kennen, denen ich sonst nicht begegnen würde und wenn, dann nicht auf einer so tiefen Ebene. Ich bin tief berührt und dankbar, in das Leben fremder Menschen eintauchen zu dürfen, auch wenn es nur für kurze Zeit ist.

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Chop wood and carry water

Trump wurde als Präsident wiedergewählt. Er wurde als Straftäter verurteilt, erhält aber keine Strafe. In Kalifornien wüten die schlimmsten Waldbrände des Landes. Im Kongo herrscht Bürgerkrieg. In München ist ein junger Mann mit seinem Auto in eine Demonstration gefahren, in Berlin wurde ein Tourist niedergestochen. Es passiert so viel Schreckliches, die Ereignisse häufen sich immer schneller und ich kann sie auch nicht nachvollziehen.
Immer wieder suche ich für mich nach Halt und nach Inseln der Ausgeglichenheit und Zufriedenheit in der immer chaotischer werdenden Welt. Und ich erinnere mich an ein Zen-Koan: „Chop wood and carry water“. Ich übersetze das für mich so: Kümmere dich um das, was jetzt im Moment anliegt. Konzentriere dich auf die Notwendigkeiten des Alltags, gib deine Energie dort hinein und gib deinen Ängsten keinen Raum. Ich schneide jetzt die Zwiebel, das Gemüse, ich koche, ich esse. Und dann schaue ich, was als nächstes anliegt. Chop wood and carry water.

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Erdrückt

Vom 27. Dezember bis zum 4. Januar habe ich mit einem Team eine Woche lang eine Familienfreizeit mit 80 Teilnehmer*innen aller Altersgruppen in Thüringen mitgestaltet. Die Woche war voll, lebendig, abwechslungsreich und anstrengend. Zurück zu Hause hatte ich nur einen Tag, um mich zu erholen. Dann fing die Schule wieder an. Für die kommenden Wochen hatte ich außerdem etliche Seminare geplant. Alle fanden statt und es kam sogar noch eins hinzu. Ich verschob alles, was nicht ‚Arbeit‘ war, und den ganzen Januar über arbeitete, aß und schlief ich, arbeitete, aß und schlief ich. Ende Januar ging mir die Puste aus. Ich verbrachte den ein oder anderen Nachmittag völlig ermattet auf der Couch. Aber ich hatte es tatsächlich geschafft, alle Termine wahrzunehmen und gesund zu bleiben. Ich freute mich darüber und war auch stolz auf mich, dass ich mich wirklich gut auf die Umstände eingestellt hatte. Was ich dann aber erst viel später feststellte war, dass meine Kreativität in dieser Zeit völlig versiegt war. Nichts von dem, was in den Wochen passiert war, inspirierte mich zu einer Geschichte. Die so dichte Zeit hatte mein Schreiben völlig erdrückt. Also brauchte Inspiration Raum und Luft, um sich einstellen zu können? So deutlich hatte ich das noch nie erkannt.

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Platz für alle

Aus dem Küchenfenster sehe ich den Parkplatz. 52 Wohnungen hat das Haus, vielleicht steht die ein oder andere leer, vielleicht hat eine Mietpartei kein Auto, vielleicht haben andere zwei. Alle parken ihre Autos nebeneinander, ohne dass die Plätze durch Striche abgeteilt sind, wie man es von Supermarktparkplätzen kennt. Daher stehen wieder alle in ganz unterschiedlichen Abständen zueinander. Die meisten Autos stehen so weit auseinander, dass man nicht nur die Fahrertür bis zum Anschlag öffnen kann, sondern selbst dann noch Abstand zum Nachbarauto hat. Wenn nur zwei Fahrer ihre Autos ein Stück näher zueinander parken würden, hätte noch ein drittes Auto Platz, denke ich. Wenn ich selbst parke, versuche ich genug Abstand zu halten, um noch einigermaßen bequem aussteigen zu können, gleichzeitig aber eng genug, dass noch möglichst viele Fahrzeuge auf dem Platz unterkommen. Warum nur, frage ich mich immer wieder, parken die Leute nur so weit auseinander? Denken sie beim Einparken nicht daran oder haben sie Angst, dass ihr Auto Schrammen abbekommt? Ich verstehe es nicht.

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Spaziergang mit Katze

Wenn ich abends nach Hause komme und die Wohnungstür öffne, zwängt sich meine Katze an mir vorbei und will raus. Warum nicht, denke ich und öffne ihr auch noch die Haustür. Draußen bleibt sie stehen und dreht sich nach mir um, als warte sie auf mich. Ich gehe also ein Paar Schritte auf sie zu. Sie läuft voraus und ich hinterher, dann bleibt sie stehen und ich gehe voraus und sie läuft mir hinterher. Immer wieder bleibt sie stehen und schließt dann wieder zu mir auf. Sie läuft nicht wie ein Hund auf dem Bürgersteig neben mir her, sondern sucht immer die Deckung einer Hecke, an der sie dicht entlangläuft oder kürzt den Weg durch einen Vorgarten ab. Wenn sie einen Hund wittert, der abends noch von Herrchen oder Frauchen Gassi geführt wird, verschwindet sie plötzlich und ist nicht mehr zu sehen. Erst ein paar Meter weiter taucht sie aus irgendeinem Schatten neben mir auf. Sie hat anscheinend immer im Blick, wo ich gerade bin. So drehen wir abends im Dunkeln die ein oder andere Runde ums Karree.

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