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Krankmeldung

Ich habe keine Kraft mehr, und das schon seit einiger Zeit. Der Autokauf hat sehr viel Energie gekostet und das grautrübe Wetter ist deprimierend. Ich habe einen ganz ruhigen Nachmittag und gehe früh ins Bett, um am nächsten Tag fit zu sein. Im Bett spüre ich, dass ich einfach nicht mehr kann. Morgen ist mein letzter Unterrichtstag. ‚Das müsste doch zu schaffen sein‘, sagt mein Verstand, ‚die letzten Tage hast du ja auch hingekriegt.‘ – ‚Ich kann nicht mehr‘, sagt der Bauch. Ich bin zunehmend unwirsch zu den Schülern und schnell genervt. ‚Bleib zu Hause, erhol dich‘, sagt der Bauch. ‚Aber du bist nicht wirklich krank. Den letzten Tag schaffst du noch’, kontert der Verstand. Ab wann darf man sich krank melden? Ab wann ist es gerechtfertigt, zu Hause zu bleiben? Meine Schüler sollen doch Deutsch lernen. Aber macht 1 Tag Ausfall einen so großen Unterschied? ‚Wenn du so genervt bist, haben sie eh kein Bock zu lernen.‘ So geht es hin und her. Es wird eine schreckliche Nacht, ich finde keine Ruhe. Am Morgen geht das Hin und Her weiter. Wie soll ich mich nur entscheiden? Ich melde mich schließlich krank. Einer Kollegin schicke ich noch extra eine Textnachricht, um sie zu informieren, dass meine drei DAZ-Schüler*innen heute bitte bei ihr im Unterricht bleiben sollen. Kein Problem, antwortet sie. Sie sei auch krank, aber in der Schule. Jetzt springt mein schlechtes Gewissen wieder an. Sie ist krank und in der Schule. Und ich? Ich falle in einen tiefen Schlaf und merke im Laufe des Tages, dass es die richtige Entscheidung war, zu Hause zu bleiben.

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Neuer Gebrauchtwagen

Mein Auto war inzwischen 18 Jahre alt und verbrauchte übermäßig viel Öl. Ich wußte, dass das kein gutes Zeichen war. Regelmäßig füllte ich Öl nach, das irgendwo im Motor versickerte. So ging das monatelang, bis es anfing, mich zu beunruhigen. Ich begann mich nach einem neuen Gebrauchtwagen umzuschauen. Was für ein Auto wollte ich, fragte ich mich? Und wie viel wollte ich dafür investieren? Am liebsten hätte ich ja nochmal das gleiche Modell gehabt, nur leider wurde das seit 2014 nicht mehr gebaut. Ich schaute mir ein Auto dieser Marke an, es hatte zwar wenig Kilometer, war aber auch schon 16 Jahre alt. Nein, das war es nicht. Ich schaute mir ein anderes an, das auch wenig Kilometer hatte und nur 10 Jahre alt war. Es war sehr gepflegt und in einem sehr guten Zustand. Die Probefahrt war ein Genuss und das Auto hatte jede Menge Ausstattung, die meines nicht hatte, eine Sitzheizung, einklappbare Seitenspiegel und außerdem noch eine tolle Farbe. Leider lag der Preis über meinem Budget und der Verkäufer ging im Gespräch auch nur unwesentlich herunter. Im Internet recherchierte ich später und las, dass der Verbrauch auf 100 Kilometern bei über 7 Litern lag. Vielleicht hätte ich mich auf den Preis noch eingelassen, aber der hohe Benzinverbrauch war ein Ausschlusskriterium.
Die Suche ging weiter. Ich erweiterte sie auf Kleinwagen anderer Marken. Zwei fuhr ich Probe. Der eine sprang erst mit Überbrückungskabel an. Das war natürlich ein Nein für mich. Beim zweiten passte alles: Er fuhr sich gut, er verbrauchte wenig und der Preis stimmte, nur mein Bauch wollte nicht ja sagen. Was hinderte ihn? Ich fand keine Antwort und suchte weiter. Ich las im Internet Beurteilungen von verschiedenen Modellen, fuhr weitere Autos Probe. Es war spannend, unterschiedliche Autos zu fahren – wie anders das Fahrgefühl doch sein konnte! Doch bei keinem von ihnen konnte ich ja sagen. Dann entdeckte ich noch ein Auto, bei dem anscheinend alles stimmte, die wenigen gefahrenen Kilometer, das Alter, der Preis und die Farbe. Ich legte an die 100 Kilometer zurück, um das Auto Probe fahren zu können, von dem ich dachte: das ist es! Vor Ort merkte ich, was ich im Internet schon gelesen hatte, nämlich dass bei dem Auto gespart worden war, und zwar an der Dämmung. Das Auto fuhr sich super, war aber sehr laut. Ich konnte auch hier nicht ja sagen. Ich suchte weiter. Ein Autohaus ganz in der Nähe bot zwei Gebrauchtwagen an. Ich machte einen Termin für eine Probefahrt aus. Das erste Auto fuhr sich wunderbar, war gepflegt, alles andere stimmte auch, aber mein Bauch wollte immer noch nicht ja sagen. Ich stieg in den zweiten Wagen und fuhr die gleiche Strecke noch einmal. Und hatte Lust weiterzufahren. Es machte mir Spaß, mit diesem Wagen zu fahren. Als nächstes nahm ich wahr, wie sich mein Körper entspannte. Das war es. Genau das war es, worauf ich gewartet hatte: dass mein Bauch ja sagte. Ich schlief noch eine Nacht darüber. Auch am nächsten Tag blieb es bei einem guten Gefühl. Am Nachmittag unterzeichnete ich den Kaufvertrag.

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Die Mängelliste

Die Mängelliste, die der Mechaniker mir nach der Inspektion meines Wagens überreicht hatte, war schwerwiegend und machte mich nervös. Würde er mich bald schon im Stich lassen? Würde irgendwas kaputtgehen oder brechen, dass ich doch noch liegenblieb? Mein Weg zur Schule führte mich über die Stadtautobahn, auf einer eingeengten Fahrbahn ohne Standstreifen, und später war die Fahrbahn nur noch einspurig, auch ohne Standstreifen. Dort liegen zu bleiben würde höchst unangenehm werden. Kein Auto würde an mir vorbeikommen. Jeden Tag fuhr ich also angespannt und unruhig zur Schule. Würde es nochmal gutgehen? Erst auf der Rückfahrt nach Hause konnte ich wieder entspannen. Wie viele Tage würde er noch durchhalten müssen, bis ich einen neuen fand?
Und das gelang mir nach einer Weile. Ich fand einen neuen Gebrauchtwagen. Am Montag würde ich ihn bekommen und meinen alten dort in Zahlung geben. Der müsste mich also nur noch einmal zur Schule bringen und zurück und am Nachmittag zum Autohaus … Am Samstag vorher räumte ich ihn aus. Wie nackt er nun war. Nichts Persönliches von mir war mehr darin. Noch ein letztes Mal fuhr ich an diesem Montag zur Schule, wieder angespannt und auch etwas traurig. Am Nachmittag dann die letzte Fahrt. Ich parkte das Auto am Autohaus. Drinnen im Büro unterzeichnete ich Verträge, bezahlte, bekam die neuen Autopapiere, übergab die alten. Wir gingen raus. Der Autoverkäufer erklärte mir alles Notwendige für das neue Fahrzeug. Dann war alles erledigt. Ich fuhr vom Parkplatz herunter, im Rückspiegel sah ich noch meinen stehen und hatte das Gefühl von Verrat. Der Verstand sagte: Das Auto ist über viele Jahre einwandfrei gefahren und nun lohnt sich eine Reparatur nicht mehr. Und das Gefühl sagte: Wie kannst du nur das Gefährt nach so vielen treuen Jahren, jetzt wo es in die Jahre kommt, einfach so stehen lassen und gehen?

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Alter Gebrauchtwagen

Zehn Jahre hat er mich fast überallhin begleitet. Bei allen großen Fahrten war er dabei und brachte mich zuverlässig an jedes von mir gesetzte Ziel. Er brachte mich vollbeladen und bei größter Hitze bis in die Bretagne. Ohne den geringsten Zwischenfall. Er brachte mich in die Alpen nach Österreich und ein andermal in die Schweiz. Er brachte mich den St.-Bernhard-Pass hinauf, der so steil ist, dass mir fast schwindlig wurde und ich bei der Abfahrt nicht in die Ferne schauen konnte vor lauter Höhenangst. Er sprang bei Kälte an und bei Dauerregen. Natürlich brauchte er zwischendurch neue Bremsbeläge, neue Reifen und auch mal eine neue Batterie. Aber er hat mich nie im Stich gelassen mit einer Panne im Irgendwo. Er fuhr mich vollbeladen in den Urlaub oder vollbeladen mit Gartensäcken zur Gründeponie oder nur mich, überallhin. Er fuhr und fuhr und fuhr. Er war ein ganz und gar zuverlässiger Begleiter. Und nun, nach 10 Jahren in meinem Besitz und 18 Jahren seiner Gesamtlebenszeit, wurden die Ventile undicht und er schluckte unverhältnismäßig viel Öl. Als ich in die Werkstatt fuhr, um den Ölverbrauch checken zu lassen, überreichte der Mechaniker mir eine Mängelliste mit einem Kopfschütteln und den Worten: “Schauen Sie sich zeitnah nach einem neuen um.“ Ich fühlte mich wie bei der Verkündung einer Diagnose von unheilbarem Krebs. War das das Ende? Musste ich mich von ihm trennen?

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Winterfreuden

Nein, schön ist das nicht, wenn der Sonne ab November die Kraft fehlt, sich durch die Wolkendecke zu kämpfen. Da beginnt die grautrübe Jahreszeit, in der es auch in mir eher trüber wird. Es dauert eine ganze Weile, bis sich mir der Blick öffnet für das, was mir diese Jahreszeit zu bieten hat. Im September meckere ich noch über das Weihnachtsgebäck in den Supermärkten, im Dezember fange ich an, es zu genießen. Jetzt, und nur jetzt, gibt es bei mir Zimtsterne und Stollen. Und auch die vielen Konzerte in der Vorweihnachtszeit erfreuen mich. Und oft zünde ich abends Kerzen an. Das passt auch nur in diese dunkle Jahreszeit. Wie gemütlich es ist, den Abend mit Kerzenschein im wohligwarmen Wohnzimmer mit der schnurrenden Katze auf dem Schoß zu verbringen.

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Alle Jahre wieder

Alle Jahre wieder geht es ab Ende November los. Straßen, Vorgärten und Fenster werden dekoriert und Weihnachtsmärkte aufgebaut. Die Stimmung steigt in Vorfreude auf das Fest. Die Geschäfte füllen sich mit Menschen auf der Suche nach Geschenken. Trauben von Menschen sammeln sich um Glühweinstände. Weihnachtslieder klingen aus allen Lautsprechern. Weihnachtsgebäck liegt schon seit September in den Supermärkten aus. Und dann gehen viele Gespräche darum, wer wie mit wem feiert. Kommen die Kinder, die Enkel oder feiern sie bei den Schwiegereltern oder fliegen sie dieses Jahr wieder in den Süden? Was wird es zu essen geben. Wie jedes Jahr? Und was gibt es für die Vegetarier und die Veganer und was kriegen die mit den anderen Unverträglichkeiten. Oder bucht man lieber in einem Restaurant? Mit alldem muss ich mich nicht auseinandersetzen. Ich muss nichts planen, keine Termine koordinieren und denke ‚Gottseidank‘. Und dann gibt es da auch die andere Seite. Ich habe keine familiäre Anbindung, keine Eltern mehr, keine Kinder, keine Enkel. Ich habe kein familiäres Gefüge, in das ich selbstverständlich hineingehöre. Da ist niemand, der anruft und fragt: „Wie machen wir es denn dieses Jahr?“ Das erfüllt mich mit einem Gefühl von Wehmut und Trauer. Aber nur so lange, bis ich wieder eine Diskussion über den Weihnachtsbaumkauf mithöre.

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Der Schatten

Ich gehe am späten Nachmittag in den Supermarkt. Es ist schon dunkel. Ich laufe einen schlecht beleuchteten Fußweg entlang, der hinter den Häusern vorbei führt. Vor mir im Gebüsch sehe ich einen Schatten, der sich bewegt. Mein erster Gedanke ist: Ein Hund. Aber Hunde laufen doch meistens nicht frei herum, oder? Dann steigt mein Puls: Es werden doch keine Wildschweine sein? Die kommen nachts aus dem nahegelegenen Wald und suchen in Gärten rund um die Häuser herum nach Futter. Ich drehe sofort um. Lieber gehe ich einen Umweg als einem Wildschwein zu begegnen! Erstaunlich ruhig ist das Tier, sei es nun Hund oder Wildschwein, denke ich. Während ich zurückgehe, drehe ich mich noch einmal um. Der Schatten folgt mir. Und dann macht es Klick: Es ist mein eigener Schatten, der mich verfolgt hat und vor dem ich so erschrocken bin.

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Recht haben

Ich plaudere mit einer Hausbewohnerin über dies und das. Ob ich überhaupt wisse, in was für einem Haus ich wohne, fragt sie mich. Ja, in einem ehemaligen Beamtenwohnhaus, sage ich. Nein, kontert sie, das war mal eine Kaserne von den Franzosen. Und die Häuser dahinter, da waren die Beamten drin. Ach, sage ich überrascht, im Internet habe ich das überall genau anders herum gelesen. Nein, nein, sagt sie, das hier war die Kaserne und die Beamten haben in den Häusern da drüben gewohnt. Ich bin mir sicher, dass sie falsch liegt. Ich schweige. Was würde ich davon haben, wenn ich Recht hätte? Was würde ich dadurch gewinnen? Nichts. Ich lasse es einfach so stehen und wechsle das Thema.

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Die Uhr

Zwei Mal schon habe ich meine Armbanduhr versehentlich in der Wäsche mitgewaschen. Sie lief weiterhin pünktlich, im Glas innen hatte sich jedoch durch das Schleudern ein kleiner Splitter gelöst. Dieser kleine Splitter verkeilte sich ab und zu zwischen den Zeigern. Die Uhr blieb stehen. Oder war vielleicht nur die Batterie leer? Ich brachte sie zur Uhrmacherin bei Karstadt, wo ich sie gekauft hatte. An der Batterie lag es nicht. Ob das Glas ersetzt werden könne? Die Uhrmacherin winkte ab: Ja schon, aber … Ob ich mich nicht vielleicht nach einer neuen umschauen wolle. Eine neue, in etwa so wie meine, koste um die 100 Euro. Nein, das wollte ich nicht. Aber ohne Uhr fühlte ich mich besonders in der Schule orientierungslos. Ich ging in ein Uhrmachergeschäft in einem anderen Ort und fragte da nach. Ja, er würde das Glas ersetzen, das würde 28 Euro kosten. Es würde nur dauern. Er müsse das Glas erst bestellen. Dazu war ich gerne bereit! Aber was machte ich bis dahin ohne Armbanduhr? Ich hatte keine andere und das Handy im Unterricht war einfach zu unpraktisch. Spontan kam mir die Idee, ihn zu fragen, ob er nicht zufällig eine Ersatzarmbanduhr für mich habe, um die Wartezeit zu überbrücken. Ich rechnete eher mit einem Nein, aber zu meiner freudigen Überraschung sagte er, ja, habe er. Und reichte mir eine funktionierende Armbanduhr, die ich bis zur Reparatur meiner eigenen ausleihen durfte. Ich war so erleichtert, im Unterricht mit einem Blick aufs Handgelenk wieder den Überblick zu haben, ob die Zeit noch für eine Übung reichte oder nicht.

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Staub

In meiner alten Wohnung habe ich nach Bedarf geputzt. Wenn ich dachte, es wäre dran, habe ich zu Staubsauger und Staublappen gegriffen, und das war unregelmäßig. So wie ich halt Zeit und Lust hatte und wenn der Schmutz anfing mich zu stören. Ich wohnte am Waldrand und die Luft war recht sauber, Dreck brachten nur ich und meine Katze von draußen vom Wald mit herein. In der neuen Wohnung hatte ich noch keine Erfahrung und wartete erstmal ab, um zu schauen, wann der Schmutz in der Wohnung anfangen würde, mich zu stören. Nach vielleicht einer Woche nahm ich eine feine Schicht auf dem offenen Bücherregal wahr. Noch störte mich das nicht. Aber nach wenigen weiteren Tagen hatte sich die Staubschicht verdichtet und es hinterließ eine deutliche Spur, wenn ich mit dem Finger drüberstrich. Nun war es also an der Zeit, Staub zu wischen und zu saugen. Die Luft war hier in der Stadt doch wesentlich verschmutzter als an meinem vorherigen Wohnort! Aber die Partikel legten sich ja nicht nur auf Regalen, Möbeln und Böden ab. Sie legten sich auch auf dem Brot ab, das auf dem Tisch lag und das ich aß, und sie legten sich auch in meinen Lungen ab. Nur konnte ich dort nicht staubwischen. Wie es dort wohl aussah?

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