2019 wurde bei meinem Bruder Leukämie diagnostiziert. Mit einer Chemotherapie konnte er den Krebs überwinden. Zwei Jahre später war die Leukämie wieder da. Jetzt wurde eine Stammzellentransplantation vorgeschlagen. Ich kam als nächste Verwandte als Spenderin in Frage. Nach einer Untersuchung stellte sich heraus, dass ich nicht kompatibel war. Es fand sich ein Fremdspender. Alles verlief glatt, sein Körper stieß die fremden Zellen nicht ab. Nach Monaten im Krankenhaus, langwierigen Untersuchungen und diversen Behandlungen konnte er endlich wieder nach Hause. Lange, lange kämpfte er mit den sehr belastenden Nebenwirkungen der Behandlung. Und darum, wieder zu Kräften zu kommen. Er war froh, die Leukämie ein zweites Mal überwunden zu haben, auch wenn er wusste, dass es nie wieder so sein würde wie vor seiner Erkrankung. Wir telefonierten von Zeit zu Zeit. Er berichtete, dass es ihm so ganz allmählich wieder besser ginge und die Begleiterscheinungen auch langsam nachließen. Ich kündigte meinen baldigen Besuch an. Da er in Stuttgart wohnt, sahen wir uns nicht oft. Er freue sich, sagte er, und er würde einen Kuchen backen. Wir diskutierten hin und her, ob es ein Apfel- oder ein Apfel-Mohn-Kuchen werden solle und einigten uns auf einen Apfel-Mohn-Kuchen. Ich wollte den Februar abwarten. Ab dem 2. Februar würde die Maskenpflicht in den Zügen wegfallen. Dann folgten einige Seminartage. Am Abend des vorletzten Seminartages erhielt ich eine Nachricht meiner Schwägerin. Mein Bruder liege im Krankenhaus auf der Intensivstation. Ich rief sie tags darauf an und sie schilderte mir die Situation. Es sah nicht gut aus. Erst ganz allmählich sickerte bei mir die Erkenntnis ein, dass es keinen Apfel-Mohn-Kuchen mit meinem Bruder zusammen mehr geben würde. Fünf Tage später starb er.