Was ich bin, was ich kann

Ich wollte immer Reiten lernen und habe es nur ansatzweise erlernt. Ich hätte auch sehr gerne ein Musikinstrument spielen gelernt, um mich musikalisch auszudrücken. Über die Blockflöte in der Grundschule bin ich nicht hinausgekommen. Auch Zahlen liegen mir nicht. Ich habe einmal ganz kurzfristig in der Buchhaltung gearbeitet und sehr schnell erkennen können, dass ich in diesem Bereich talentfrei bin. Dafür liegt mir der Sprachunterricht. Ich habe wirklich viel Geduld, mit den Schülerinnen Grammatikthemen einzuüben und zu wiederholen und nochmal zu wiederholen und nochmal. Ja, ich habe da sogar große Freude dran. Am Wiederholen vielleicht etwas weniger, aber an der Sprachvermittlung an sich. Kommen die Schülerinnen aber mit einem Mathethema und wollen eine Übung von mir erklärt haben, reißt mir sehr schnell der Geduldsfaden. Und mir liegt Gartenarbeit. Ich liebe es, in der Erde zu buddeln, zu schneiden, zu säen, zu pflanzen, zu ernten und das Geerntete zu verarbeiten. Da habe ich Ausdauer und Geduld. Ich muss mich weder überwinden noch empfinde ich die Arbeit als anstrengend oder schmutzig. Ich lebe mich im Garten und in der Küche kreativ und künstlerisch aus. Ich wäre auch gerne Jazzsängerin geworden, wie Nina Simone, deren Musik mir unter die Haut geht. Ich kann leider nur mäßig singen und die Töne nicht halten. Dafür liegt mir das Schreiben. Die Worte fließen mir nur so aus der Hand. Ich jongliere mit ihnen, lasse mir ihre Wirkung auf der Zunge zergehen und genieße sie wie einen guten Kaffee. Ich lasse meine Seele durch die Worte in die Geschichten fließen. Und ich kann Menschen ganz tief zuhören und sie begleiten. Ich stelle mich ihnen zur Verfügung, um Konflikte zu entwirren und ihnen einen Schritt weiterzuhelfen.
Ich bin introvertiert und liebe die Ruhe. Ich ziehe einen ruhigen Waldspaziergang einer lauten Musikveranstaltung vor. Ich muss nicht alles gesehen haben und überall dabei gewesen sein. Dafür habe ich den Schatten beobachtet, den die Sonne wirft und am Morgen lange den Tau auf den Blumen betrachtet.
Kann ich mich ganz so annehmen, wie ich bin? Kann ich annehmen, welche Talente und Fähigkeiten ich habe und auch loslassen, was mir nicht gegeben wurde, was ich nicht erlernt habe oder erlernen konnte?

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