Türkei 1

Erste Begegnung
Ich lande mitten in der Nacht in einem mir fremden Land. In den Unterlagen, die ich bekommen habe, steht genau, wo ich den Transferbus zum Hotel finde. Ein freundlicher junger Mann nimmt mich in Empfang. Er spricht kein Deutsch. Er nimmt das Übersetzungsprogramm auf seinem Handy zu Hilfe. Während wir auf weitere Gäste warten, tauschen wir uns angeregt aus. Wir lachen über die Missverständnisse, die trotz des Programms entstehen. Als wir nach einer Stunde Fahrt durch schlafende Ortschaften am Hotel ankommen, bedankt er sich herzlich. Was für eine freundliche erste Begegnung.

Tag eins
Der erste Tag in diesem mir fremden Land nimmt mich mit Sonnenschein in Empfang, mit Ruinen aus der Römerzeit, mit einem mir fremden Blütenduft. Später erfahre ich, dass es die Orangenblüten sind, die so duften. Gelb strahlen die Früchte am Zitronenbaum vor meinem Balkon mich an und es gibt viele freundliche Katzen. Ich sitze auf meinem Zimmerbalkon und lasse mich einlullen von dem Stimmengewirr der türkischen Zimmerfrauen, die sich über den Hof hinweg immer mal wieder etwas zurufen, von deutschen und englischen Wortfetzen der anderen Gäste, von der noch milden Märzsonne, die mich wärmt.

Renovierungsstau
In den Bewertungen im Internet stehen kritische Kommentare zum Zustand des Hotels. Das hat mich nicht abgeschreckt. Als ich dann vor Ort im Hotel bin, bestätigt sich diese Bewertung. Notdürftig sind Fugen in der Dusche abgedichtet, in den Ecken sind dunkle Flecken. Schimmel? Der Spiegel ist an einem Rand entlang blind und das Waschbecken ist nicht waagerecht montiert. Auf der Veranda, die zu den Zimmern führt, liegt eine abenteuerliche Konstruktion von Rohren und Leitungen. Und das alles stört mich nicht. Die Betten sind sauber bezogen, es gibt ein reichhaltiges und leckeres Frühstück und die Sonne scheint. Das ist alles, was ich brauche. Von allem anderen lasse ich mich nicht irritieren. Mehr zählt für mich nicht.

Tee
Auf dem Tresen stehen kleine Gläser für den Türkischen Tee und große Gläser für Wasser. Drei Kannen mit Teesud stehen bereit, der dann mit heißem Wasser aufgefüllt wird. Am ersten Tag gehe ich vier-, fünfmal Tee nachfüllen. Dann sehe ich jemanden eines der großen Gläser nehmen und Tee einfüllen. Das ist eine gute Idee, denke ich und mache das nach. In das Wasserglas geht vielleicht der Inhalt von drei bis vier kleinen Teegläsern, so spare ich mir das häufige Nachfüllen. An diesem Tag ist der Tee vor dem Ende der Frühstückszeit leer. Ich halte den Tee im Wasserglas für eine gute Idee, die Küche ärgert sich vielleicht, dass nicht die Teegläser verwendet wurden und der Tee vorzeitig leer ist.

Der Muezzin
Der Ruf des Muezzin hallt aus mehreren Lautsprechern durch die Nacht. Ich lausche dem Gesang und verstehe nicht mehr als ‘Allah’. Der Ausdruck dieser religiösen Praxis ist mir, wenn auch nicht unbekannt, so doch fremd. Erahne ich vielleicht in seinem Gesang die Leidenschaft, sich mit etwas Höherem als uns selbst verbinden zu wollen? Ruft er in der Form, die er erlernt hat, in der kulturellen Ausprägung, in die er hineingewachsen ist, den einen Gott an, den er Allah nennt und den ich in meiner kulturellen Prägung, in die ich hineingeboren bin, ‘Gott’ nenne? Und meinen wir vielleicht die eine selbe göttliche Kraft, die uns alle verbindet und größer ist als alles Menschliche?

Pauschalurlaub
Ich habe einen Pauschalurlaub gebucht mit Flug, Hotel und Halbpension. Als ich im Hotel ankomme, wird mir ein Safe für 10 Euro Miete pro Woche angeboten. WLAN kostet ebenfalls 10 Euro die Woche. Na gut, das wusste ich, dass WLAN nicht im Paket enthalten ist. Die Getränke zum Frühstück sind frei, Orangensaft kostet jedoch 3 Euro. Die Getränke zum Abendbrot sind nicht frei. Das Wasser aus dem Hahn solle man besser nicht trinken, wird mir geraten, ich solle lieber Wasser im Geschäft kaufen. Die Handtücher aus dem Zimmer sollen nicht am Strand oder am Pool benutzt werden, steht auf einer Information im Badezimmer. Strandhandtücher werden an der Rezeption für 3 Euro ausgeliehen.

Langeweile?
“Langweilen Sie sich denn nicht so alleine im Urlaub?”, werde ich gefragt. Mich langweilen? Nein. Endlich kann ich abschalten, muss auf nichts reagieren, keine Rede und Antwort stehen, keine Entscheidungen treffen, nicht überlegen, was noch alles anliegt, keine Mails beantworten. Und ich kann es sogar genießen, im Hotel kein WLAN zu haben. Endlich kann ich loslassen. Wieder ganz auf mich hören. Am Tag gibt es nur zwei Eckpunkte: Frühstück gibt es zwischen 8 und 10 Uhr und das Abendessen zwischen 18 und 20 Uhr. Den Rest der Zeit habe ich ganz für mich. Ich kann dem nachgehen, was in mir lebendig ist. Ich kann dem nachgehen, was mich ruft. Ich kann genau horchen und spüren, ob ich jetzt Ruhe brauche und sie mir einfach so nehmen. Ich habe lange Monate funktioniert. Jetzt kann ich meiner Seele wieder allen Raum geben, die sie braucht.

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