Spaß im Urlaub
Von einem Ehepaar auf der Promenade höre ich im Vorbeigehen, wie er in gereiztem Tonfall sagt: „Warum kann man sich nicht einfach mal irgendwohin setzen und was trinken?“ Sie antwortet, genervt: „Ja, dann sag doch, was du willst.“ Ob ein gemeinsamer Urlaub so Spaß macht, frage ich mich.
Gs, gs, gs
Als ich in Saarbrücken am Flughafen ankomme, wartet schon ein älterer Türke aufs Einchecken. Ich bin ganz überrascht, ihn am nächsten Tag im meinem Hotel in der Türkei zu sehen, in Arbeitskleidung. Ich spreche ihn an: “Sie machen hier keinen Urlaub, oder?“ Er gibt mir zu verstehen, dass er kein Deutsch versteht. Ab da verfolgt er mich mit seinen Blicken, wenn ich zu den Mahlzeiten gehe. Nach der Mahlzeit stellt er sich in mein Blickfeld, um eine zu rauchen. Auffallend oft hält er sich vor meinem Balkon auf. Als ich ihm irgendwann begegne, versucht er mich mit „Gs, gs, gs!“ auf sich aufmerksam zu machen. Ich bin 61. Hört das denn nie auf mit der Anmache?
Begegnung
Ich laufe durch Manavgat. Ein einheimischer Mann und eine ältere Frau kommen mir entgegen. Ich sehe sie, mehr nicht. Wir gehen aneinander vorbei. Dann höre ich hinter mir: „Hallo, hallo!“ Ich drehe mich um, der Mann kommt auf mich zu und sagt auf Deutsch: „Wir kennen uns. Ich war letztes Jahr im Sommer mit meiner Frau und meinem Sohn auf Ihrer Familienfreizeit im Odenwald.“ Jetzt fällt bei mir der Groschen. „Manavgat ist meine Heimatstadt und ich besuche gerade meine Mutter.“ Ja klar, ich erinnere mich an die Familie und freue mich über die Begegnung. Wir plaudern noch ein wenig. Wie klein die Welt doch ist!
Türkische Riviera
Ich bin in der Rezeption in meinem Hotel in Side. Der junge Reiseleiter kommt und begrüßt mich freundlich. Wir plaudern und im Laufe des Gesprächs erzählt er mir, dass Side in deutscher Hand sei und Alanya in russischer Hand. Ich stutze. Und frage mich: Und welche Küstenorte gehören den Türken?
Anspruch
Auch wenn ich für diese Reise bezahlt habe, sehe ich daraus keinen besonderen Anspruch für meinen Aufenthalt hier erwachsen. Ich freue mich über das Wetter, die Freundlichkeit der Menschen und die wunderbaren Vorspeisen und vielfältigen Gerichte. Auch wenn ich mit meiner Halbtagstätigkeit mehr verdiene als jede Vollzeitarbeitskraft im Hotel und aus einem vergleichsweise reichen Land komme, leiten sich für mich daraus keine besonderen „touristischen Rechte“ ab. Ich bin hier Gast, genieße das, was mir geboten wird und bin dankbar dafür.
Evelyn
Ich lerne Evelyn kennen, eine Deutsche, die seit 20 Jahren in der Türkei lebt und fließend Türkisch spricht. Sie zeigt mir Geschäfte, an denen Touristen wohl eher vorbeigehen und übersetzt bei meinem Einkauf. Sie fährt mit mir zu einem Restaurant in einem Orangenhain außerhalb der Touristenpfade, wo wir einen herrlichen Nachmittag verbringen. Ich schätze ihre Erfahrungen und ihren Blick, der den meinen öffnet und erweitert. Ich lerne durch sie etwas von der Türkei kennen, wie eine Einheimische sie sieht.
Vorteile? Nachteile?
Ich verbrauche Wasser und Lebensmittel. Ich hinterlasse meinen Müll und Schmutzwasser. Beides zusätzlich zu dem, was die einheimische Bevölkerung verbraucht und hinterlässt. Bringe ich mehr Vorteile ins Land, durch das Geld, oder doch mehr Nachteile? Oder gleicht sich das aus?
Russland
Er erzählt mir, dass er eine Russin geheiratet und auch eine Zeit lang in Russland gelebt habe. In einigen Wochen werde er mit ihr dorthin zurückgehen. Das Leben in der Türkei sei sehr schwer, sagt er, die steigende Inflation und die Politik Erdogans. Nein, es mache keinen Spaß mehr, in der Türkei zu leben. Und Putin, frage ich nach? – Putin? Der sei nicht so schlimm wie Erdogan, antwortet er. Ich wundere mich. Warum glauben wir so oft, woanders sei es besser als da, wo wir sind?