Ich spaziere den Boulevard Saint Denis in Paris entlang. Dort konzentrieren sich die indischen, srilankischen und pakistanischen Geschäfte und Restaurants. Ich betrete ein Geschäft. Der Duft von Sandelholz und die Klänge fremder Musik umarmen mich. Und ich erinnere mich an meine Jahre in Neu Delhi.
Wie schwer tat ich mich, mich in dieser fremden Kultur zurechtzufinden. Nichts war mir dort vertraut, rein gar nichts. Nicht ein Wort dieser fremden Sprache (Hindi) verstand ich. Die Bollywood-Songs, die aus den offenen Fenstern der Siedlung drangen, waren für meine Ohren unmelodiös. Das Essen war von einer Schärfe, die meinen Darm anfangs sehr strapazierte. Ich hatte bis dahin noch nie eine frische reife Mango oder Guave gegessen oder wusste nicht, was eine Jackfruit ist und bei Koriander dachte ich, ich würde auf Geranien kauen. Und noch nie hatte ich Überbevölkerung erlebt: Menschen, Menschen, Menschen überall. Es wurde gedrängelt, geschoben und gedrückt ohne Rücksicht auf Abstand zum Gegenüber, in Geschäften, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Verkehr.
Nichts von dem Klima erinnerte auch nur im entferntesten an das, was ich aus Deutschland kannte. Nur von Dezember bis Februar waren die Temperaturen angenehm für mich. Die Hitze im Sommer mit über 40°C war dann noch erträglicher als der Monsun im September mit 90% Luftfeuchtigkeit bei über 30°C. Ich fand es schwer zu verstehen und mich darauf einzustellen, dass es immer wieder Stromunterbrechungen gab und nur zu bestimmten Zeiten fließendes Wasser. Bei jedem Einkauf wurde um den Preis gefeilscht. Festpreise gab es nicht.
Und keiner verstand, worüber ich mich beklagte, kannten alle es doch nicht anders als voll, heiß und gedrängt.
Es waren keine leichten Jahre und ich kann heute auch nicht mehr sagen, ob ich mich überhaupt wirklich auf das Land eingelassen habe. Tief geprägt haben mich die drei Jahre in Neu Delhi dennoch: Heute liebe ich scharfes indisches Essen. Ich liebe Koriander und bedauere, dass ich hier keine frische Jackfruit bekomme und ich liebe es, um Preise zu feilschen, wo immer es möglich ist. Mit tiefer Wertschätzung genieße ich, dass ich immer Strom und Wasser zur Verfügung habe und dass Menschen in Bussen, Bahnen und Geschäften auch ohne Corona Abstand zueinander halten. Die Jahre in Indien haben meinen Blick geweitet, meine Geschmacksknospen trainiert und mich dankbar für mein Leben in Deutschland gemacht.
Was hat deinen Blick geweitet? Kannst du dankbar für dein Leben in Deutschland sein?