Der Teelöffel

Ich mache auf halbem Weg zum Sign of the Kiwi (einem Denkmal) halt und setze mich in ein Café mit Blick über die Stadt. Am Nachmittag ist die Sonne rausgekommen und es hat sich so aufgewärmt, dass ich im Windschatten ohne Jacke und Pulli sitzen kann. Ich bestelle einen Flat White und bezahle sofort, wie es in Neuseeland üblich ist. Ich genieße die Sonne, die freie Zeit, die Entspannung und die Aussicht auf Christchurch, das sich unter mir ausbreitet. Ich löffle auch noch den Schaum aus und entdecke dabei den Teelöffel. Er hat am Stilende einen Koru, einen eingerollten Farn, ein Symbol für Neuseeland. Ich verliebe mich augenblicklich in diesen Teelöffel und sofort gehen die Gedanken los: Was könnte ich tun, um an diesen Löffel zu kommen? Die Bedienung fragen, wo sie das Besteck her haben? Dann müsste ich in der Stadt das Geschäft suchen. Lohnt sich der Aufwand? Und wenn ich das Geschäft finde und sie das Besteck nicht mehr haben? Ich könnte die Bedienung fragen, ob ich ihn ihr abkaufen kann? Und was, wenn sie nein sagt? Ich könnte den Löffel auch ‚loslassen‘ und vergessen. Meine Gedanken gehen hin und her. Ich gehe jeden Gedanken noch einmal einzeln durch und lasse ihn sich setzen. Welche Möglichkeit setzt sich durch? Welche Option ist am erfolgversprechendsten? Und langsam keimt eine weitere Möglichkeit in mir auf. Ich betrachte sie von allen Seiten. Kann ich das mit meinem Gewissen vereinbaren? Und dann … stecke ich den Teelöffel in meine Tasche, stehe auf und gehe in der Hoffnung, dass ihn niemand vermissen wird. Heute freue ich mich jedes Mal, wenn ich den Teelöffel in der Hand habe. Ich erinnere mich an den Tag in der Sonne mit dem Blick auf Christchurch und das Gefühl von Unbeschwertheit.

Hast du schon einmal etwas mitgenommen, was dir nicht gehörte? Wie ist es dir hinterher damit ergangen?

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