Redefluss

Eine Bekannte erzählt gerne und viel und sehr detailliert von ihrem Urlaub: „Ich bin nachts im Hotel angekommen. Morgens habe ich dann zum ersten Mal aus dem Fenster geschaut und ich konnte es kaum glauben. Das Fenster ging direkt raus auf den historischen Marktplatz aus dem 18. Jahrhundert. Noch so richtig gut erhalten mit Arkaden ringsherum. Ich fühlte mich wie in ein anderes Jahrhundert versetzt.“ –
„Ich höre deine Überraschung, so eine gut erhaltene Altstadt zu sehen“, gehe ich dazwischen. „Ja. Nach dem Frühstück habe ich mir dann mal alles genau angeschaut. Ach, und das Frühstück! So was hast du noch nicht gesehen. Frisches Brot gab es, keine Pappbrötchen, kein Nullachtfuffzehn-Käse oder abgepackte Marmelade in kleinen Döschen. Eine Platte mit Wurst und Käse von heimischen Bauern stand auf dem Tisch und selbstgemachte Marmelade.“ – „Du warst auch total überrascht, was es zum Frühstück gab und es hat wohl auch noch richtig gut geschmeckt?“ – „Ja, absolut.“ Sie stutzt und erzählt weiter. „Na gut, also ich bin dann durch die Altstadt spaziert. So was Schönes hab ich noch nie gesehen. Die historischen Häuser! Und die Haustüren! Die sind alle mit Schnitzereien verziert. Und jede anders. Auf eine war ein Löwe geschnitzt und du hast jedes Haar in der Mähne sehen können, so filigran war das gearbeitet.“ – „Ich höre deine Freude, die Stadt zu entdecken und die unerwarteten Kunstwerke an den Türen. Das hast du alles nicht erwartet.“ – „Ja, genau.“ Sie stutzt abermals und ihr Redefluss ebbt ab.

Kannst du heraushören, was eine Person wirklich bewegt, die vielleicht viel und lange erzählt? Wenn du das darunterliegende Gefühl oder Bedürfnis ansprichst, besteht die Chance, dass sich die Person gehört und angenommen fühlt und den Redefluss verkürzen oder sogar beenden kann.

Nach oben scrollen