Ragna kommt aus Litauen und hat fünf Jahre für meinen Vermieter gearbeitet. Sie kümmerte sich ums Haus, um alles, was er nicht mehr konnte als Über-90-Jähriger. Anfänglich grüßten wir uns nur. Irgendwann plauderten wir miteinander, wenn ich bei schönem Wetter draußen saß und sie die Blumen goss oder den Rasen mähte. Ich half ihr bei Behördendeutsch, brachte sie mal zur KFZ-Werkstatt, als ihr Auto in Reparatur war, mal brachte sie mich irgendwohin. Sie liebte meine Katze und begleitete mich liebevoll beim Abschied von Kitty, als diese mit 16 Jahren starb. Als ich dann Chica zu mir nahm, ermunterte sie mich, geduldig mit ihr zu sein, bis sie sich an mich gewöhnen würde. Ich freute mich jedesmal, Ragna zu sehen und mit ihr zu plaudern. Ich schätzte ihre positive Lebenseinstellung und den Einblick in ihr so andersartiges Leben. Dann starb mein Vermieter mit 99 Jahren. Ragna verlor damit ihre Arbeit. Ich sah ihr Auto noch ein letztes Mal vor dem Haus stehen. Sie kam nicht zu mir, um sich von mir zu verabschieden – ich verstand die Welt nicht mehr. Ich vermisse unsere Gespräche sehr.