Ich unterrichte Deutsch als Zweitsprache. Ich habe große Freude daran zu erraten, welche Muttersprache jemand spricht. Meistens kann ich den Kontinent erraten, oder ob es eine östliche oder nordische Sprache ist, manchmal auch das Herkunftsland, aber nicht immer.
Ich sitze in Offenburg in der Fußgängerzone auf einer Bank und esse ein Eis. Eine Frau setzt sich neben mich. Wir fangen an zu plaudern. Ich höre in ihrem Deutsch einen leichten Einschlag einer anderen Muttersprache. Ich erzähle ihr, dass ich Lehrerin für Deutsch als Zweitsprache bin und immer neugierig, woher Menschen kommen. „Was ist Ihre Muttersprache?“, frage ich sie. „Ich lebe seit dreißig Jahren in Deutschland“, erwidert sie, „und immer wieder fragen mich Menschen, woher ich komme. Ich finde das völlig unpassend bei einer so flüchtigen Begegnung!“ Und unser Gespräch ist beendet.
Zwei Monate später fahre ich mit dem Zug von Paris zurück nach Saarbrücken. Drei Personen steigen ein. Der Mann setzt sich auf den freien Platz neben mir und die beiden Frauen auf die Plätze auf der anderen Seite des Ganges. Sie sprechen eine mir völlig unbekannte Sprache, die ich so gar nicht einordnen kann. Ich überlege, ob ich den Mann darauf anspreche? Wird er sich auch über meine Frage ärgern? Ich zögere. Und dann siegt meine Neugier. Ich beginne das Gespräch damit, dass ich erkläre, was ich beruflich mache. Der Mann lächelt mich freundlich an und erklärt mir, dass sie Letten seien. Ein freundliches und interessantes Gespräch entwickelt sich, während seine Frau und seine Tochter schlafen. Ich freue mich über diese herzliche Begegnung.
Traust du dich, Menschen bei flüchtigen Begegnungen auf das Thema anzusprechen, das dich interessiert? Wie gehst du damit um, wenn jemand unfreundlich reagiert?
Danke, lieber unbekannter Lette.