Der Tod

Ich kann nicht einschlafen und wandle gegen Mitternacht noch einmal in die Küche. Ich schaue aus dem Fenster, nirgendwo brennt Licht. Alle scheinen zu schlafen. Mitten auf dem Parkplatz unserer halbrunden Wohnanlage steht ein VW-Transporter mit geöffneter Heckklappe. Zieht zu so später Stunde noch jemand ein oder aus? Das ist unwahrscheinlich. Und wieso nur steht dieser Transporter mit geöffneter Heckklappe da? Die hinteren Fenster sind verdeckt, sind das Gardinen? So etwas haben doch Leichenwagen, oder? Auf dem Wagen ist keine Aufschrift, die das erkennen ließe. Ich bleibe stehen und schaue weiter in die Nacht. Nach einer Weile sehe ich durch den Eingang des Mittelflügels Schatten im Flur, die sich zwischen Aufzug und Tür hin und her bewegen. Sie drehen und bücken sich. Was tun sie dort nur? So viel Aktivität um Mitternacht, wundere ich mich. Schließlich öffnet sich die Tür und drei Männer schieben einen Sack – einen Leichensack! auf einem Rollwagen zum VW-Transporter. Sie schieben die Leiche hinein, schließen die Heckklappe und fahren los. Also war es wirklich ein Leichenwagen, denke ich. Aber warum wird ein Toter um Mitternacht abtransportiert? Damit im Haus alle schlafen und es niemand mitbekommt? Muss der Tod so geheimgehalten werden, darf niemand mit ihm konfrontiert werden? Er gehört doch zum Leben dazu.

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