Ich bin ins Unterrichten von DaZ, Deutsch als Zweitsprache, einfach so reingerutscht. Ich lebte in Delhi und am dortigen Goethe-Institut wurde eine Lehrperson gesucht. Ich wusste nichts über die grammatikalischen Feinheiten der deutschen Sprache, hatte ich doch eine französische Schule besucht, aber ich bin Muttersprachlerin, das zählte, der Rest konnte erlernt werden. Also befasste ich mich mit den Verben mit Vokalwechsel, den Ausnahmen bei der Steigerung der Adjektive und noch vielem mehr. Ich hatte Freude daran, Deutsch zu unterrichten und so ergab sich aus dieser Zufallsbegegnung mein beruflicher Werdegang. Ich hatte eigentlich Geographie studiert. Von meinen Kommilitonen wusste ich, dass sie in dieser Richtung einen Beruf gefunden hatten oder suchten. Ich ließ mich also auf das Unterrichten ein. Ich unterrichtete in Delhi, in Saarbrücken, in Christchurch, am Bodensee und jetzt seit 20 Jahren wieder in Saarbrücken, Erwachsene, Jugendliche, Student*innen und jetzt Schüler*innen. Ich habe bis heute mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten zu tun und bekomme von ihnen Einblicke in ihre Herkunftsländer. Ich habe sehr wissbegierige Lernende, die alles aufsaugen wie ein Schwamm und es auch gleich umsetzen können, und ich habe Lernende, die den Stoff einfach nicht aufnehmen können. Ein Schüler ist mir noch ganz besonders im Gedächtnis. Er kam aus Griechenland mit albanischen Wurzeln. Er kam in die sechste Klasse. Er erfasste die neue Sprache mit Leichtigkeit. Nichts brauchte ich zu wiederholen, wollte er doch lieber voran und Neues lernen. Er beendete den Mittleren Bildungsabschluss als bester Schüler der Schule mit einer Eins. Sein Ziel war es, Zahnarzt zu werden. Ich bin mir sicher, dass er das erreicht hat. Es ist mir eine tiefe Befriedigung, einen kleinen Beitrag zu seinem Werdegang geleistet zu haben. Und dann waren da auch Schüler*innen, bei denen am Tag nicht mehr als ein neues Wort hängenblieb. Und das war am nächsten Tag auch schon wieder vergessen. Was wusste ich schon über ihr Leben, bevor sie nach Deutschland kamen? Was hatten sie alles erlebt oder erleben müssen, was ihr Lernen beeinträchtigte? Wollten sie überhaupt hier in Deutschland sein? Waren sie neugierig und offen für diese neue Welt? Oder wurden sie aus ihrem gewohnten Umfeld überstürzt herausgerissen?
Über die Jahre schlich sich eine gewisse Langeweile bei mir ein, der Akkusativ blieb immer der gleiche und auch die Verben mit Vokalwechsel änderten sich nicht. Was sich änderte, waren die Schüler*innen, die neu dazu kamen und denen ich mit Neugier begegnete.
Ich unterrichte immer noch gerne DaZ. Ich sehe es als eine überaus wichtige Aufgabe an. Die Sprache ist das Mittel, um in einer neuen Kultur anzukommen, sich in einem anderen Land zu orientieren, die Menschen und ihre Gewohnheiten zu verstehen, das eigene Leben zu gestalten und den einen eigenen Platz zu finden. Und so sehe ich mich als Botschafterin für mein eigenes Land. Ich möchte meinen Schüler*innen eine Brücke in dieses liebenswerte und auch komplexe Land sein. Ich möchte ihnen den Schlüssel dazu vermitteln, in ihrem neuen Leben hier Fuß zu fassen.