Chica ist weg

Ich bin über Ostern drei Nächte weg. Ich entscheide mich dafür, meine Katze Chica mit ausreichend Futter draußen zu lassen. Ich habe sie schon früher mal mit genügend Futter alleine gelassen. Der Unterschied jetzt ist, dass das Haus nach dem Tod des Vermieters völlig verwaist ist und auch seine 24-Stunden-Hilfe nicht mehr da ist. Als ich zurückkomme, ist Chica nicht da. Zuerst mache ich mir keine Sorgen. Sie hat sich schon öfter mal Zeit gelassen, bis sie nach Hause kommt. Sie kommt aber auch im Laufe des Tages nicht und auf mein Rufen hin passiert nichts. Dann wird sie in der Nacht kommen, beruhige ich mich. Aber auch in der Nacht kommt sie nicht. In meinem Kopf laufen sämtliche Horrorvisionen ab: ‚Sie ist für ein Versuchslabor eingefangen worden.‘ – ‚Ein Hund oder ein Fuchs hat sie erwischt.‘ – ‚Sie hat sich ein anderes Zuhause gesucht.‘ Ich laufe am nächsten Tag die Nachbarschaft ab und rufe nach ihr. Keine Reaktion. Ich gebe sie innerlich schon auf und vermisse sie schrecklich. Wir haben so eine schöne Routine miteinander entwickelt. Es hat so lange gedauert, bis Chica sich auf mich eingelassen und Vertrauen zu mir aufgebaut hat. Es hat so viel Zeit und Geduld gebraucht. Ich habe keine Hoffnung, sie wiederzusehen. ‚Hätte ich sie nur nicht alleine draußen gelassen‘, werfe ich mir vor. Ich bin am Boden zerstört. Sie hat mir so viel Sicherheit gegeben, ihr weiches Fell hat mich gewärmt, ihr Gleichmut hat mich beruhigt, ihr zufriedenes Schnurren in den Schlaf gewiegt. Sie hat sich auf die Art der Tiere, ohne Worte, einen ganz großen Platz in meinem Herzen geschaffen. Jetzt erst merke ich, was sie mir bedeutet …
Erst am Abend des nächsten Tages sehe ich sie auf die Küchenfensterbank springen. Miauend will sie Einlass und stürzt sich dann auf den Futternapf. Kein vorwurfsvoller, kein fragender Blick: „Wo warst du so lange?“ Als sie satt ist, will sie gestreichelt werden. Wir nehmen unseren Alltag miteinander wieder auf, so als wäre nie etwas gewesen.

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