Christine Wanjura

Schwindel

Seit mehr als drei Monaten leide ich unter Schwindel. Begonnen hatte er mit starkem Erbrechen und damit, dass ich nicht mehr alleine stehen konnte. Nach drei Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Nach etwa vier Wochen konnte ich wieder Auto fahren und alleine einkaufen. Meine Hausärztin meinte: „Das wird wieder, aber das dauert.“ Also Geduld haben und einfach nur abwarten? Jemand empfahl mir Arnika. Ich nahm also Arnika, ohne eine Verbesserung feststellen zu können. Jemand anderes empfahl mir Salviathymol. Ich nahm Salviathymol, auch ohne eine Verbesserung festzustellen. Nun habe ich die Idee, es mit Akupunktur zu versuchen. Ich mache Termine bei einer Akupunktur-Ärztin. Sieben Termine nehme ich wahr und habe das Gefühl, dass sich nichts verändert. Also höre ich damit auf. Und merke, wie es sich jetzt ohne Behandlung anfühlt. Ein klein bisschen besser war es durch die Akupunktur doch geworden, der Schwindel war etwas schwächer geworden. Aber er ist nicht ganz weggegangen. Eine dritte Person nennt mir einen Physiotherapeuten, der sich auf Schwindel spezialisiert und ihr bei ihrem Schwindel geholfen habe. Ich mache also einen Termin bei ihm. Er macht einige Tests und stellt dieselbe Diagnose wie im Krankenhaus: Neuritis vestibularis. Mit den Worten „In vier bis sechs Wochen sind sie den Schwindel los, Sie werden schon in einer Woche merken, dass es besser wird“ zeigt er mir Übungen, die ich machen soll und entlässt mich. Voller Hoffnung auf ein Leben ohne Schwindel mache ich die Übungen. Meinen Einwand beim nächsten Termin, dass der Schwindel eher zugenommen hat, übergeht er. „Keiner hat wirklich Ahnung von Schwindel. Andere Therapeuten würden ein bisschen hier drücken und da drücken …“ Die seien einfach nur dumm. Er lehre das schließlich seit Jahren. Ich mache also zuhause die 2. Übung, die er mir gezeigt hat und hoffe weiter auf Besserung. Der Schwindel nimmt so stark zu, dass es mich massiv einschränkt. ‚Das kann doch nicht sein! Da stimmt doch was nicht?‘ Ich mache die Übungen nicht weiter und auch keine neuen Termine bei dem Physiotherapeuten mehr.
Am Ende wird mir ein homöopathisches Mittel helfen.

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Blind Date

Mein Automechaniker will mich mit seinem Chef für ein ‚Blind Date‘ verkuppeln. Ich bin neugierig und lasse mich darauf ein. Ich treffe Erik zwei Tage später und wir gehen in ein Restaurant. Ich erzähle ihm, dass ich eine Website habe und in meinem Blog Geschichten schreibe. „Zeig mal,“ sagt er. Ich hole mein Handy raus und suche im Blog. Ich gebe ihm die „Regenwürmer“ zu lesen. Als er fertig gelesen hat, sagt er: „Du kannst nicht alle Regenwürmer retten.“ Nein, das kann ich nicht und ich kann es auch nicht zulassen, sie von den Schülern zertrampeln zu lassen. Ich gebe ihm die Geschichte „Im Zug“ zu lesen. Daraufhin erzählt er mir eine Geschichte, die ihm selbst im Zug mal passiert ist. Als letztes gebe ich ihm „Die Pizza“ zu lesen. Diese Geschichte kommentiert er mit: „Ja, das ist unsere Überflussgesellschaft. Über so etwas denke ich nicht nach. Was ich nicht ändern kann, damit belaste ich mich nicht.“ Dann erzählt er lang und breit, dass die Politiker die Steuergelder aus dem Fenster werfen würden und nicht auf die Probleme im eigenen Land schauten. Die Bürger würden Aufgaben übernehmen, die in die Zuständigkeit des Staates gehörten. Wir seien ein so reiches Land, da dürfte es keine Tafeln geben.
Ich weiß nicht mehr, wie er auf das Thema kommt, aber plötzlich redet er über Sex. Ich stoppe ihn. Sex ist für mich kein Thema bei einem ersten Treffen. „Man müsste doch über alles reden können“, sagt er.
Ich lenke das Gespräch in eine andere Richtung und frage, wohin er gern in Urlaub fahre. Nach Sri Lanka, sagt er und beginnt ausführlich und sehr detailliert über seine Urlaube dort zu erzählen. Er fragt mich nicht, wo ich gerne hinfahre. Später erzähle ich, dass ich Lehrerin bin und was ich unterrichte. „Und weil du dich langweilst, machst du die Seminare?“ Nein, ich mache die nicht aus Langeweile. Ich mache sie, weil mir das Thema am Herzen liegt. Aber da ist er schon bei einem anderen Thema. Als wir uns verabschieden, sagt er, ich wäre schon eine Sünde wert, auch wenn wir doch weit auseinander lägen. Ja, tatsächlich. Wir liegen sehr weit auseinander.

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Elster

In den letzten Jahren habe ich meine Steuerangelegenheiten einem Steuerberater gegeben, weil ich einfach keine Lust hatte, mich darum zu kümmern. Letztes Jahr kündigte er an, im nächsten Jahr die Preise zu erhöhen. Das nahm ich zum Anlass, mich selbst um meine Steuern zu kümmern. Von anderen wusste ich, dass sie ihre Steuererklärung mit dem Programm Elster machten. ‚Wenn die das können, dann kann ich das auch‘, dachte ich. Also ging ich zur Website von Elster und meldete mich an. Per Brief sollte ich meinen Benutzercode erhalten. Ich wartete auf den Brief. Als er kam, setzte ich mich wieder an den PC, suchte alle meine Belege zusammen und wollte loslegen. Nur das Einloggen funktionierte nicht. Ein achtstelliger Code wurde verlangt und im Brief war nur ein sechsstelliger. Wie passte das denn zusammen? Ich suchte bei YouTube nach einem Video, das erklärte, wie man sich bei Elster einloggt. Darin erfuhr ich, dass das Finanzamt zwei Briefe verschickt. Also wartete ich auf den zweiten Brief. Der zweite Brief enthielt tatsächlich einen achtstelligen Code. Jetzt konnte ich mich endlich einloggen und loslegen. Auf den ersten Seiten ging es erstmal um die persönlichen Daten und das Formular N. Das war einfach. Voller Stolz beendete ich diesen ersten Teil. Am nächsten Tag ging es weiter mit dem Formular S für Selbständige. Immer wieder schaute ich bei YouTube in Erklärungsvideos nach, wenn ich irgendwo nicht weiterkam. Vor lauter Nachschauen und Hin und Her und Klicken und Suchen kam mir immer wieder der Gedanke: ‚Ich geb den ganzen Krempel doch dem Steuerberater!‘, und dann speicherte ich die Daten und fuhr den PC runter. ‚Morgen setze ich mich wieder dran. Dann bin ich frisch und habe vielleicht wieder den Überblick.‘ Dann kam die Anlage EÜR. Wieder schaute ich bei YouTube nach, wie die auszufüllen sei. Zwei, drei Tage lang ging das so, dass ich immer gerade noch die Kurve bekam und kurz vor dem Wutausbruch und der Verzweiflung den PC runterfuhr. Und dann irgendwann war alles soweit fertig, dass ich es abschicken wollte. Ich überprüfte nochmals, ob alles ausgefüllt war und klickte ‚Überprüfen‘. Es kam eine Fehlermeldung. Also war doch noch nicht alles fertig… Ich klickte die Fehler an und korrigierte oder ergänzte, was fehlte. Und konnte meine Steuererklärung absenden. Endlich! Es war vollbracht.

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Termin

Ich habe morgens um 7.30 Uhr einen Physiotherapie-Termin. Ich habe mir den Wecker gestellt und bin rechtzeitig losgefahren, um auch bestimmt einen Parkplatz in der Nähe der Praxis zu finden. Ich komme pünktlich dort an. Es ist noch nichts los. Ich bin anscheinend die erste Patientin. Der Empfang ist noch nicht besetzt. Ich setze mich und warte. Im Nebenraum höre ich den Physiotherapeuten und eine Frau plaudern. Ich warte. Drei Minuten vergehen. Fünf Minuten vergehen. Ich höre die Stimmen im Nebenraum lachen. Es kommt niemand, um zu schauen, ob ich oder eine andere Patient*in schon da ist. Acht Minuten vergehen. Ich überlege, wie ich mit der Situation umgehen soll. Einfach noch länger warten? Ich bin ja nicht in Zeitnot, und trotzdem fuchst es mich. Die Stimmen und Lacher gehen unbeirrt weiter. Ich entscheide mich, an die Tür zu klopfen und wende mich an den Physiotherapeuten: „Ich habe um 7.30 Uhr einen Termin bei Ihnen.“ – „Ja, ich weiß“, kommt als Antwort, „ich komme gleich.“ Um 7.45 Uhr begleitet mich die Sprechstundenhilfe mit einem hochroten Kopf in den Behandlungsraum. Als der Physiotherapeut den Raum betritt, hakt er nach: „Was ist los?“ – „Ich habe mich so beeilt, um pünktlich zu sein.“ – „Wenn ein Mitarbeiter erkrankt ist, müssen wir eben besprechen, wie wir die Termine umlegen“, sagt er ganz selbstbewusst. Ich hätte mir irgendetwas Entgegenkommendes in seiner Haltung gewünscht. Und Ehrlichkeit.

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Sommerferien

Ich bin bisher in den Sommerferien immer weggefahren. 14 Tage, drei Wochen. Ich wollte immer raus, irgendwo anders hin, was anderes sehen, etwas anderes erleben, andere Menschen treffen, andere Gespräche führen. Einfach raus und weg, ein Tapetenwechsel eben. Ich war in allen Ferien immer weg. Und es mangelte mir auch nie an Ideen, wohin ich fahren könnte. Und jetzt? Schon Anfang des Jahres merke ich, dass mich nichts wegzieht. Was ist das? Was ist bloß los? Das kenne ich so gar nicht von mir. Meine Lust wegzufahren kommt auch nicht, als das Jahr voranschreitet. Die Sommerferien stehen vor der Tür und die Idee, einmal die ganze Zeit zu Hause zu bleiben, finde ich zunehmend verlockend. Wie das wohl ist, sechs Wochen zu Hause? Ohne Tapetenwechsel, ohne all das, was mich sonst so reizt am Wegfahren?

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Musikfestival

Eine Kollegin erzählt mir, dass sie sich auf die Sommerferien freue, weil sie dann wieder Zeit habe, auf Musikfestivals zu gehen. Zu Studienzeiten sei sie oft zu Festivals gefahren, in ganz Deutschland. Aber jetzt, da sie arbeite, seien die Wochenenden zu kurz und die Festivals fingen oft auch schon donnerstags an. Das würde sich nicht lohnen. Ein Musikfestival? Das wäre für mich ein Horror. Meine Assoziationen dazu sind laute Musik bis in die tiefe Nacht – Betrunkene, die herumtorkeln und grölen – Schlangen vor den Toiletten. Für nichts in der Welt würde ich freiwillig zu einem Musikfestival gehen. Ich behalte diese Gedanken für mich und frage die Kollegin, was sie an Musikfestivals reizt. Interessiert höre ich zu und lasse mich auf ihre Sicht ein.

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Reich

Die Johannisbeeren in meinem Garten sind reif. Die Sträucher sind mit prallen roten, weißen und schwarzen Risben behangen. Ich pflücke und nasche und fülle ein Eimerchen nach dem anderen. Zu Hause wasche ich sie und verarbeite sie zu Gelee. Glas um Glas fülle ich mit dem tiefroten süßen Saft der roten Johannisbeeren. Auf dem Tisch reihen sich acht Gläser. Als nächstes koche ich Gelee aus roten und schwarzen Johannisbeeren. Auch hier werden es acht Gläser mit dem tiefvioletten Gelee. Das Gelee aus weißen und roten Beeren wird zartrosa. Und ich koche noch Gelee nur aus schwarzen Johannisbeeren. Vor mir breitet sich eine wunderbare Farbpalette der verschiedenen Gelees aus. Ich genieße es und freue mich auf den süßen Brotaufstrich. Ich fühle mich unendlich reich.

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GFK Übungsabende

Donnerstag, 21.08.2025, 18 bis 21h

An den Übungsabenden gibt es eine kurze Einstimmung, ihr übt das Aktive Zuhören und dann gibt es Raum eigene Themen mit den vier Schritten anzuschauen.
Voraussetzung für die Teilnahme an einem Übungsabend ist ein Einführungskurs.
(Wenn du unsicher bist, ob die Übungsabende das richtige für dich sind, ruf mich gerne an.)

Evangelische Familienbildungsstätte
Mainzerstraße 269
66121 Saarbrücken

Anmeldung: 0681 – 61348
fambild-sb@dwsaar.de
Kostenbeitrag: 30€

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Das Eiscafé

Wie oft bin ich schon an diesem Eiscafé vorbeigefahren? Mal saßen viele, mal wenige Menschen auf der Terrasse. Mal sah ich ein Schild stehen: Heute Pizzatag. Irgendwann einmal hatte ich mir dort auch ein Eis gekauft, aber ich war nie auf die Idee gekommen, dort einen Cappuccino zu trinken. Dann ergab es sich, dass ich mit einer Freundin und ihrem Sohn unterwegs war. Wir fuhren an diesem Eiscafé vorbei und er wollte unbedingt ein Eis. Also parkten wir und setzten uns dort auf die Terrasse. Während er sein Eis aß, tranken wir einen Cappuccino. Was für eine Entdeckung! Wie gut der Cappuccino schmeckte! Er kam nicht aus einem Kaffeevollautomaten wie so oft, sondern aus einer richtigen Kaffeemaschine, die die Bedienung manuell bedienen musste. Ein paar Tage später genoss ich einen weiteren Cappuccino dort und freute mich darüber, dieses Café entdeckt zu haben. Und was, fragte ich mich, übersah ich vielleicht noch so alles auf meinem Weg?

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Bus fahren

Ich kann wegen des Drehschwindels nicht Auto fahren. Also fahre ich mit dem Bus zum Garten. Ich bin sonst immer mit dem Auto gefahren, gezielt von A nach B. Ich stieg ins Auto, fuhr zum Ziel, parkte, und ging den restlichen Weg zu Fuß, ohne mit weiteren Menschen in Kontakt zu kommen. Nun warte ich an der Bushaltestelle. Manchmal kommt der Bus pünktlich, manchmal verspätet und auch mal gar nicht. Beim Einsteigen tauche ich in eine ganz andere Welt ein: Ich teile die Fahrt mit Müttern, die sich lebhaft unterhalten, während sich ihre kleinen Kinder über Sitze hinweg kletternd verfolgen. Ich teile die Fahrt mit männlichen Jugendlichen, die sich so laut von ihren unterschiedlichen Musikvorlieben überzeugen wollen, dass alle im Bus es unweigerlich mitbekommen. Ich teile die Fahrt mit Menschen, bei denen mir der Atem stockt, als sie an mir vorbeigehen. Sie sind in eine Mischung aus abgestandenem Zigarettenrauch und Schweiß gehüllt. Ich teile die Fahrt mit einer Frau, die lauthals eine andere Mitfahrerin auf übelste Weise beschimpft. Ich teile die Fahrt mit Menschen, die völlig in ihrem Smartphone versunken sind. Und ich teile die Fahrt mit Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern. Nur zweimal ergibt es sich, dass ich ein paar Worte mit einer Sitznachbarin, die gerade von einem Krankenbesuch im Krankenhaus kommt, wechsele. Und ein anderes Mal plaudere ich kurz mit einem Ukrainer. Bald werde ich wieder ganz alleine in meinem Auto fahren.

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