Holleck-Weithmann

Vorurteil

Ich surfe bei YouTube und entdecke einen Bericht über eine Flugkapitänin. Ich klicke auf den Bericht und schaue ihn mir ganz fasziniert an. Ein Kamerateam begleitet eine Flugkapitänin, die Co-Pilotin und drei Flugbegleiterinnen auf drei Flügen nach Porto und Barcelona. Was fasziniert mich so an dem Bericht? Das frage ich mich. Dass Frauen Piloten sind? Ich traue es Frauen durchaus zu, ein Flugzeug zu fliegen. Das will ich nicht in Frage stellen. Es geht dabei um Wissen und Erfahrung und das können Frauen ja genauso erwerben wie Männer. Und doch stolpere ich über etwas. Würde mir ein Mann sagen, er sei Pilot, würde ich ihm das sofort glauben. Würde mir eine Frau sagen, sie sei Pilotin, würde ich innerlich erst mal stutzen. Bei längerem Forschen entdecke ich in mir doch ein althergebrachtes Bild: In Risikoberufen traue ich Männern mehr zu. Ich freue mich, meinem eigenen Denken wieder mal auf die Schliche gekommen zu sein und bin bereit, mich einem neuen Gedanken zu öffnen: Ich traue Frauen genauso viel zu!

Wo entdeckst du althergebrachte Denkweisen in dir? Bist du bereit, sie loszulassen und dich neuen Gedanken zu öffnen?

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Die Glühbirne

Die Glühbirne in meiner Schreibtischlampe ist kaputt. Ich überlege, wo ich eine neue kaufen könnte. Ich versuche es zuerst bei Edeka. Nein, die haben nicht die, die ich brauche. Welches Geschäft in der Nähe könnte noch Glühbirnen haben? Ich fahre zu Real, aber auch die haben nicht die passende. Also muss ich doch zum Bauhaus fahren? Das verschiebe ich auf morgen.
Abends gucke ich doch nochmal in meinem Badezimmerschrank nach. In einem Fach bewahre ich alles mögliche auf. Ich räume alles raus, um auch das sehen zu können, was ganz hinten liegt. Und tatsächlich finde ich da eine passende Glühbirne für meine Schreibtischlampe. Jetzt kann ich mich entscheiden, was ich denken will: Wie gut, dass ich noch eine habe und nicht auch noch zum Bauhaus fahren muss! Oder: So was Blödes! Jetzt bist du dafür extra zu Edeka und Real gefahren. Da hättest du auch mal vorher im Badezimmerschrank nachgucken können! Ich entscheide mich, mich zu freuen. Ich habe eine gefunden und muss nicht zum Bauhaus.

Bemerkst du, wenn du negative Gedanken über dich selbst hast? Versuch doch mal, sie zu stoppen und überlege dir, was du vielleicht  Positives denken kannst?

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Cappucino

Ich kaufe gern samstags auf dem Wochenmarkt ein, auch weil dort ein Café-Wagen steht, wo es köstlichen Cappucino gibt. Ich trinke jetzt wohl schon zwei Jahre lang recht regelmäßig einen Cappucino dort und habe schon öfters mit dem jungen Mann geplaudert. Jedes Mal fragt er mich, was ich möchte: Einen Cappucino.
Und ich erinnere mich. Vor einigen Jahren war ich im Frühjahr in Spanien. Da es noch in der Vorsaison war, war an dem Ort, wo ich war, noch alles geschlossen, bis auf ein Café. Jeden Tag bin ich dorthin spaziert und habe einen café con leche getrunken. Am zweiten oder dritten Tag kam ich in das Café und ohne zu fragen, brachte mir der Kellner meinen Milchkaffee. Und so blieb es für die restlichen Tage, die ich in dem Ort verbrachte. Erst jetzt durch die Erinnerung merke ich, was mir das bedeutet hat. Ich spüre, wie wohl ich mich gefühlt hatte, für eine kurze Weile zu den Stammgästen zu gehören und mit meiner Vorliebe gesehen und wahrgenommen zu werden.

Wo wirst du gesehen und wahrgenommen? Wo siehst du andere und nimmst sie wahr?

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10 Schritte

Ich komme etwa zur gleichen Zeit wie eine Kollegin morgens auf dem Schulparkplatz an. Sie parkt, steigt aus und geht in Richtung Schuleingang. Ich bin nur einige Sekunden langsamer als sie und gehe kaum 10 Schritte hinter ihr. Wie schade, denke ich, warum hat sie nicht auf mich gewartet und wir wären den Weg zusammen gegangen? Diese paar Schritte vom Parkplatz zum Eingang sind eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen und vielleicht auch mal ein paar private Worte zu wechseln, die sonst im Schulalltag keinen Platz haben.
Später am Tag denke ich, dass sie vielleicht schnell an den Kopierer wollte oder einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden war und nur hoffte, gut durch den Tag zu kommen. Und erst jetzt beim Schreiben denke ich: Ich hätte sie auch bitten können, langsamer zu gehen und auf mich zu warten.

Wo übersiehst du vielleicht die Chance, eine Situation zu deinen Gunsten zu beeinflussen?

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Mein Freund der Baum ist tot

Seit Jahren fahre ich über die Theodor-Storm-Straße zur Schule. Entlang der Straße war auf einer Seite bis vor kurzem eine freie Fläche, mit einer Wiese auf der Bäume standen. Jahrelang fuhr ich einmal auf dem Hinweg und einmal auf dem Rückweg daran vorbei. Die Bäume standen einfach da und ich habe sie nie besonders beachtet. Sie gehörten zum gewohnten Bild meines Schulweges. Und dann eines Tages sehe ich, dass die Bäume gefällt werden. Mit starken Motorsägen werden sie niedergemacht, die Stämme in Reih und Glied aufgestapelt, die Baumkronen auf einen großen Haufen geworfen, wie Abfall. Wie viele Sommer und Winter diese Bäume wohl erlebt haben? Die täglichen Auspuffgase, denen sie ausgesetzt waren! Wie viele Menschen haben sich an ihrem Grün erfreut? Ruhig und stolz standen sie da, über viele Jahre. Und dann werden sie einfach gefällt und sind nur noch ein Haufen störendes Gehölz, dass sich nicht wehren oder fliehen konnte.

Kennst du die Verbundenheit und die Nähe zur Natur? Zu Bäumen?

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Neid

Ein Kollege ist Ende Januar in Rente gegangen. An einem sonnigen Tag kommt er zur Schule geradelt. Entspannt und gut gelaunt plaudert er mit Kolleg*innen, die gerade Zeit haben. Ich mache einen großen Bogen um ihn. Warum, frage ich mich. Warum weichst du ihm aus? Als erstes fällt mir ein: Ich habe keine Zeit, ich muss in den Unterricht. Und dann erst dämmert es mir so langsam. Ich gebe es mir selbst nicht gerne zu: Ich bin neidisch. Ich beneide ihn so sehr darum, dass er sich nicht mehr mit Hygienemaßnahmen, Online-Unterricht, Lüftungsprotokollen, Wechselunterricht, Pausenaufsichten und lauten, unzufriedenen Schüler*innen auseinanderzusetzen braucht.

Kennst du Neid? Merkst du, wenn du neidisch bist?

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Aus dem (Lockdown-)Alltag ausbrechen

Es begann im November, im 2. Lockdown. Beim Surfen auf YouTube stieß ich auf viele ausländische Filme. In die meisten schaute ich nur kurz rein und klickte sie wieder weg. Bei anderen Filmen blieb ich hängen, die schaute ich mir dann in voller Länge an und schweifte mit ihnen in die Ferne. Mit einem argentinischen Protagonisten reiste ich durch die schier unendliche Pampa des Landes und tauchte in eine mir fremde Welt ein. Ich lauschte der unbekannten Fauna, betrachtete die fremde Flora und ließ mich von der Landschaft, der Hitze und den dortigen Gewohnheiten mitnehmen und fesseln. Für die Länge des Filmes war ich völlig und komplett dort. Bei Google Maps suchte ich anschließend nach dem Ort, an dem der Film spielte. Mit dem Routenplaner vollzog ich die Strecke nach, die der junge Mann zurückgelegt hatte und wie lange er dafür mit dem Bus unterwegs gewesen sein muss.
Nach einem brasilianischen Film googelte ich nach einem Gericht, das die Hauptdarsteller in einer Szene aßen und entdecke ein Nationalgericht Brasiliens. Ein Lied, das im Film gesungen wurde, begleitete mich tagelang und versetzte mich immer wieder an die Copacabana.
Mit einem schwedischen Film (mit deutschen Untertiteln) verbrachte ich kühle Sommerabende an einem See. Später schaute ich einige Vokabeln nach und weiß jetzt, was „Guten Morgen! Gut geschlafen?“ auf Schwedisch heißt. God morgon! Sovit gott?

Wie und wovon lässt du dich begeistern, um aus deinem (Lockdown-)Alltag auszubrechen?

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Raumwechsel

Es ist jetzt ein Jahr her: Ich hatte 16 Jahre lang einen eigenen kleinen Raum in der Schule. Die Wände hatte ich mit einer Weltkarte und den selbstgemalten Länderflaggen der Herkunftsländer meiner Schüler*innen dekoriert. Ich fühlte mich sehr wohl in dem Raum. Es war wie eine kleine Oase für mich und sicherlich auch für den einen oder die andere Schüler*in. Dann sprach mich eine Person aus der Schulleitung an, der Raum würde gebraucht und ich solle umziehen. Ich sagte: Nein! Das blieb dann erst mal so stehen. Einige Wochen später, morgens zwischen Tür und Angel, sagte sie mir dann: Das ist jetzt eine Anweisung. Du ziehst um! Der Raum wird anderweitig gebraucht.
Ich zog in einen anderen Raum um.
Die Geschichte hat zwei Aspekte für mich: Die sachliche Ebene und die persönliche Ebene. Zum einen, dass ich „meinen“ Raum aufgeben musste und zum anderen die Art und Weise, wie mir das mitgeteilt wurde. Inhaltlich kann ich durchaus nachvollziehen, dass der Raum für etwas anderes dringender gebraucht wurde. Auf der persönlichen Ebene jedoch hätte ein kurzes persönliches Gespräch den Schmerz für mich wesentlich gemildert, eine Erklärung, warum der Raum nun für andere Zwecke dringender gebraucht werde, vielleicht auch ein Bedauern, dass das nun notwendig sei. So lebt der Schmerz heute noch in mir.

Nehme ich mir angemessene Zeit, wenn ich jemandem etwas Wichtiges mitzuteilen habe? Und drücke ich Mitgefühl aus, wenn es etwas Unangenehmes ist?

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