Unserem Schulkollegium soll das Thema Resilienz an einem Pädagogischen Tag näher gebracht werden. Als es soweit ist, monologisiert der Referent von 8 bis 16 Uhr in Frontalunterricht. Ich hoffe auf praktische Übungen, die ich für mich oder im Unterricht anwenden kann. Außer drei Kopien, auf denen wir unsere Resilienzfähigkeit ankreuzen können, stellt er nichts vor, was an eine Übung erinnert. Darüber hinaus ist seine Sprache mit Fäkalausdrücken durchsetzt, und mehr als einmal macht er sexuelle Anspielungen. Ich bin enttäuscht und frustriert. In der Pause tausche ich mich mit einer Kollegin aus. Auch sie ist von der Fortbildung enttäuscht. In der Abschlussrunde geht der Redestab herum. Bisher haben alle Kolleg*innen, die sich geäußert haben, gesagt, sie seien von der Fortbildung begeistert und würden viel mitnehmen. Die Kollegin, mit der ich mich in der Pause ausgetauscht habe, sitzt links von mir und wird nach mir dran sein. Ich überlege, wie ich mich verhalten soll. Wie kann ich mich zu der Fortbildung äußern, ohne mich zu verbiegen und gleichzeitig ohne mich mit einer abweichenden Meinung ins Abseits zu stellen? Als der Redestab von rechts zu mir kommt, entscheide ich mich zu passen. Das erscheint mir in dem Moment die beste Option: So verrate ich mich nicht selbst, indem ich meinen Beitrag doch irgendwie der Meinung der anderen anpasse. Ich reiche den Redestab also an meine Kollegin weiter. Völlig überraschend für mich äußert diese sich nun ebenfalls begeistert über die Inhalte der Fortbildung. Ich bin verwundert: Wann war sie nicht wahrhaftig – als sie sich mit mir in der Pause ausgetauscht hat? Oder in der Abschlussrunde?
Traust du dich zu sagen, was du denkst? Was brauchst du, um deine Meinung zu vertreten, wenn die anderen eine ganz andere haben?
Wie wichtig ist es dir, in eine Gruppe zu passen, zu der du gehören musst oder willst? Und wenn du deine Meinung nicht äußerst, bist du dir bewusst, warum du es nicht tust?