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Erde

Ich verbringe drei Tage in einer Großstadt: Dichter Verkehr, Autos, Busse, Motorräder, Abgase, Gehupe. Fahrräder, E-Scooter, die aus allen Richtungen kommen. Menschen, die sich auf dem Bürgersteig aneinander vorbei drängeln. Menschentrauben, die an einer Ecke herumstehen, ohne dass ersichtlich ist, warum sie da stehen und durch die man sich hindurchquetschen muss. Menschen mit Taschen, mit Kinderwagen, mit hechelnden, gestressten Hunden. Hitze. Hitze, die der Beton zurückstrahlt. Häuserschluchten ohne jedes Grün. Vor manch wenigen Fenstern ein Blumenkasten. Nur vor wenigen. Die Erde ist komplett versiegelt. Urinpfützen. Stark riechende Menschen, die lange, sehr lange nicht geduscht oder ihre Kleider gewaschen haben. Verschmierter Hundekot auf dem Bürgersteig, Menschen, die eine Wolke von Parfüm hinter sich herziehen. Menschen, die auf Pappkarton in Eingängen übernachtet haben.
Zu Hause. Endlich wieder zu Hause. Ich ziehe meine Schuhe und die Socken aus und laufe barfuß durch den Garten. Um mich herum nur Ruhe und Vogelgezwitscher. Und Natur pur. Was für ein Genuss es ist, wieder den direkten Kontakt zur Erde unter meinen Füßen zu spüren.

Was bedeutet dir die Natur? Wann bist du das letzte Mal barfuß gelaufen oder hast Erde in der Hand gehalten?

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Duschen

Ich bin eine Abendduscherin und das schon so lange ich denken kann. Ich habe das Bedürfnis, abends den Tag mit seinen vielfältigen Ereignissen abzuspülen und frisch und unbelastet ins Bett zu gehen. Es ist ein verregneter Sommertag. Ich sitze den ganzen Morgen am PC und arbeite. Mir wird kühl, ich ziehe mir einen dünnen Pulli über und arbeite weiter. Mittags koche und esse ich. Mir wird immer noch nicht wärmer. Ich überlege, mir Wollsocken anzuziehen. Aber das im Sommer? Ich könnte ja auch duschen, um mich aufzuwärmen, kommt mir die Idee. Am frühen Nachmittag? Ich dusche doch abends und nur ganz selten mal morgens, wenn ich am Abend vorher nach einer Veranstaltung zu spät nach Hause gekommen bin. Es widerspricht so ganz meinen Gewohnheiten. Einfach so am Nachmittag duschen, das geht irgendwie nicht. Ich zögere. Bis abends ist es noch lange hin. Also doch lieber Wollsocken anziehen? Und warum eigentlich nicht: duschen! Wer oder was hindert mich daran, außer das es gegen meine Gewohnheiten ist? Ich gebe mir einen Ruck und dusche mitten am Nachmittag. Es erfrischt und wärmt mich angenehm auf.

Hast du Gewohnheiten, an denen du sehr hängst? Weißt du, bei welchen du so eingefahren bist, dass sie dich richtig behindern können?

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Spaziergang am Rhein

Ich mache einen Tagesausflug nach Mannheim und besuche einen Freund. Er lädt noch eine Freundin ein, die uns begleitet. Es ist schönes Wetter und wir gehen am Rhein spazieren. Ich möchte den Weg genießen und die Natur. Ich höre den Rhein, der hinter Bäumen versteckt fließt und möchte schauen, ob ich ihn erblicken kann. Sie erzählt, wie sie mit einer Freundin in Kopenhagen gewesen und die Freundin völlig verändert gewesen sei. Sie habe sie nicht wiedererkannt. Dann, nach vielen Arztbesuchen seit ihrer Reise, wurde bei der Freundin Alzheimer festgestellt. Jetzt wisse man zumindest, was los sei. Als sie die Freundin jetzt besucht habe, sei die wieder ganz die Alte gewesen. Vermutlich, weil sie wieder in ihrer gewohnten Umgebung gewesen sei. Wir lassen uns in einem wunderschönen Gartenlokal unter alten Bäumen nieder. Ich möchte die Atmosphäre aufsaugen, den Blick schweifen und die Seele baumeln lassen. Sie erzählt, dass hier alle Bäume gefällt werden sollen, damit man den Hochwasserdamm am Rhein besser mit schwerem Gerät sichern könne und dass sie sich in einer Bürgerinitiative gegen die Baumfällung engagiere. Dann erzählt sie von einem Video auf YouTube, in dem eine Frau mit ihrem Mann in einer Schlange gestanden und gewartet habe. Das Video sei so witzig gewesen – sie habe Tränen gelacht und es habe viele Tausend Klicks bekommen. Wir spazieren weiter und kommen an die Stelle, wo der Altrhein in den Rhein mündet. Familien grillen und einige baden im Altarm. Es fühlt sich wie im Urlaub an. Sie erzählt von einem Klienten, der in der Produktion von Katzenstreu beschäftigt gewesen sei. Die Fabrik sei auf zwei Etagen gewesen und Katzenstreu durchlaufe viele verschiedene Verfahren. Es würde zerkleinert und gereinigt und käme dann in die Qualitätskontrolle, bis es schließlich in der Verpackungsstation lande. Es würde sogar bis nach Neuseeland verschickt.

Achtest du darauf, anderen im Gespräch Raum zu geben?

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Bewertungen

Ich gebe ein zweitägiges Seminar für zehn Teilnehmer*innen. Am Ende sollen sie anonym einen Auswertungsbogen für den Veranstalter ausfüllen. Nach Beendigung des Seminars, als alle gegangen sind, schaue ich mir die Bögen durch. Die erste Auswertung ist sehr positiv. Die Person hat bei allen Punkten, die zu Inhalt, Struktur und Präsentation aufgeführt werden, die maximale Punktzahl gegeben und würde das Seminar weiterempfehlen. Auch auf den nächsten Bögen wird das Seminar mit ‘gut’ oder ‘sehr gut’ bewertet und das Kästchen ‘Ich würde das Seminar weiterempfehlen’ ist angekreuzt. Dann kommt ein Bogen, auf dem es zwar auch positiv bewertet wird, aber am Ende angekreuzt ist: ‘Ich würde das Seminar nur bedingt weiterempfehlen.’ Ich stutze und bin überrascht. Sofort geht mein Kopfkino los: Was hat die Person denn schlecht gefunden? Was hat ihr bloß nicht gefallen? Und kann es wirklich sein, dass alle Teilnehmer*innen das Seminar weiterempfehlen würden und nur eine einzige Person nicht? Und dann stoppe ich mich. Nein, ich gebe meinem Kopfkino keinen Raum. Worauf will ich Gewicht legen? Auf das Positive oder auf das Negative? Es liegt ganz bei mir zu entscheiden, ob ich auf die neun Empfehlungen schaue oder auf die eine nur bedingte.

Wohin geht deine Aufmerksamkeit, wenn du etwas Kritisches über deine Arbeit hörst?

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Eis essen 

Ich kaufe mir ein Eis, setze mich auf eine Bank und genieße es in Ruhe. Eine junge Familie mit einem kleinen Mädchen hat sich auch eins gegönnt. Ich sehe, wie das Eis des Mädchens an ihrem Kinn und an der Waffel heruntertropft. Das Mädchen hebt ihr Kleidchen hoch und wischt sich damit den Mund ab. Dann höre ich die Mutter sagen: “Wisch dir den Mund doch nicht damit ab!” Das kleine Mädchen erstarrt und schaut hilflos drein. Und auch ich frage mich: Was soll sie denn jetzt tun, wenn sie nichts anderes hat?

Kennst du solche Sätze aus deiner Kindheit, wo dir nur gesagt wurde, was du nicht tun sollst, ohne einen Hinweis darauf, was du stattdessen tun sollst?

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Der Spaziergänger

Auf meiner abendlichen Runde durch den Wald begegne ich öfter einem Spaziergänger. Wir bleiben immer wieder mal stehen und plaudern. Mal ging es um Corona: “So viele Menschen sterben an Corona, das ist wirklich schlimm!” Dann ging es um die Impfung: “Ich lass mich lieber nicht impfen, ich höre von so vielen Menschen, die schreckliche Nebenwirkungen haben. “Später ging es um die wirtschaftlichen Auswirkungen: “So viele haben ihren Job verloren und noch mehr werden ihre Arbeit verlieren. “Bei unserer letzten Begegnung ging es um den Anstieg der Preise und den Krieg in der Ukraine. “Die Preise für Speiseöl sind so angestiegen, das ist so schlimm, und die Benzinpreise erst! Jetzt flüchten so viele. Wie soll das nur weitergehen?” Irgendwann wird mir bewusst, dass er einen sehr negativen Blick auf die Welt hat und dass er immer vom Schlimmstmöglichen ausgeht. Bei unserer letzten Begegnung bemerke ich, wie meine Stimmung während des Gesprächs sinkt. Ich habe gar keine Lust auf diese pessimistische Weltsicht. Ich überlege mir, wie ich das Gespräch das nächste Mal in eine andere Richtung lenken kann.

Worüber sprichst du bei unverbindlichen Begegnungen?

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Schlangestehen bei Edeka

Ich stehe bei Edeka in der Schlange vor der Kasse. Wegen Corona halte ich Abstand zur Vorderfrau. Ein älterer Herr mit Einkaufswagen stellt sich links vor mir neben die Schlange. Als die Vorderfrau vorrückt, quetscht sich er sich vor mir rein, weder sich entschuldigend noch mich fragend, und legt seine Waren aufs Band. Ärger steigt in mir auf. ‘Der drängelt sich einfach vor! Der glaubt, der kann das einfach so machen.’ Und es liegt mir auf der Zunge zu sagen: Sie haben sicher nicht gesehen, dass das Schlangenende hinter mir war? Dann überlege ich, dass ich ja auch etwas hätte sagen können, noch bevor er sich in die Lücke drängt. Warum habe ich nicht früher reagiert? Es war ja klar, dass er vorhatte, sich vor mir einzureihen. Ich nehme mir vor, das nächste Mal in so einer Situation schneller zu reagieren.

Kennst du Situationen, in denen du zu lange wartest, bist du reagierst?  Wie geht es dir hinterher damit?

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Ein ganz besonderer Ort

“Es ist so schön dort”, sagt Betty, “die haben einen ganz besonderen Ort geschaffen, so friedvoll. Er ist mitten in der Natur, man hört nur die Vögel, und den Bach rauschen. Es sind ganz besondere Menschen, die dort leben und das Essen ist auch super lecker.” Als ich dort ankomme, bin ich neugierig auf diesen besonderen Ort. Beim Betreten des Gemeinschaftsraumes sehe ich Jacken über etlichen Stühlen hängen, die auch an den Folgetagen noch da hängen. Im Gelände fällt mein Blick auf Rohre, die herumliegen, und auf dem kleinen Teich schwimmt ein verblichenes Kinderspielzeug. Das Geländer einer Holztreppe ist abgebrochen, Stühle liegen im Gras und Werkzeuge liegen und stehen an einem nicht fertiggestellten Bauprojekt herum. Ich bedauere die Achtlosigkeit, die ich zu sehen glaube.

Worauf richtet sich dein Blick, wenn du an einen neuen Ort kommst?

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Die Lebensweisheiten meiner Mutter

Ich verbringe einige Tage in einer einfachen Hütte mit nur fließend kaltem Wasser. Als ich mir morgens die Zähne putze, fallen mir einige Lebensweisheiten meiner Mutter ein, die sie mir beharrlich zu vermitteln suchte: “Putz dir nie die Zähne mit kaltem Wasser, das schadet den Zähnen.” Und: “Trink nie zu heiße Getränke, das schadet auch den Zähnen.” Ein weiterer, an den ich mich erinnere, lautete:” Zieh dir ein Unterhemd an, sonst wird du krank.” Ganz besonders nützlich war auch: “Lass nie einen Lutscher im Mund, wenn du daran gelutscht hast. Wenn du ihn im Mund lässt und hinfällst, kannst du dir sehr weh tun.” Dies waren die wichtigsten Lebensweisheiten meiner Mutter.

Erinnerst du dich an erzieherische Botschaften, die deine Mutter dir vermittelt hat?

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Verloren

Seit Januar summieren sich die Ereignisse in meinem Leben. Im Januar erhalte ich die mündlich angekündigte Kündigung nun schriftlich. Daraufhin muss ich mich beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden, online. Mein Noch-Arbeitgeber bietet uns drei Online-Bewerbungstrainings an. Die Bewerbung an das Ministerium, das uns möglicherweise übernimmt, will geschrieben und online gestellt werden. Dazu kommt das Ausfüllen zahlreicher Onlineformulare auf der Seite des Ministeriums. Es ist bis dato offen, ob wir übernommen werden. Seit 19 Jahren unterrichte ich Deutsch als Zweitsprache ohne formale Ausbildung und muss nun für die Bewerbung an einer Online-Weiterbildung teilnehmen.
Durch den Krieg in der Ukraine werden jetzt geflüchtete Kinder bei uns an der Schule aufgenommen. An einem Tag ist es eins, am nächsten Tag sind es zwei, inzwischen sechs. Mal sehen, wie viele es nach den Osterferien sein werden. Sie haben alles zurücklassen müssen und haben nicht unbedingt Lust, Deutsch zu lernen!
Mein Pass ist seit einem Jahr (!) abgelaufen. Als ich einen neuen beantragen will, muss ich mich durch unzählige Seiten beim Bürgeramt klicken, erst für einen Termin, und dann für das, wofür ich den Termin brauche: um einen Pass zu beantragen.
Meine neue Website will noch bearbeitet werden, bevor sie online gehen kann. Und dann streikt noch mein Drucker. Im Netz recherchiere ich, wie ich das Problem beheben kann.
Zwei Mal ist meine Katze in der Zeit krank: Einmal hat sie Fieber und ich muss mit ihr zur Tierärztin und das andere Mal humpelt sie mit dem linken Pfötchen. Inzwischen ist wieder alles heile.
Ich habe bis Ostern durchgehalten und gut funktioniert und mich dabei verloren. Und jetzt geht nichts mehr. Ich gönne mir ein paar Tage in der Abgeschiedenheit. Nichts außer Natur um mich herum, um der Seele wieder Raum zu geben, sie atmen zu lassen. Nichts tun. Stunde um Stunde in der Sonne sitzen, nur dem Bach und den Vögeln lauschen.

Merkst du, wenn du an deine Grenzen kommst? Und nimmst du dir dann eine Auszeit?

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