Christine Wanjura

Lärm

Am Montag sitze ich am Schreibtisch und will den Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten, als etwas vor meinem Fenster kracht und scheppert. Ich beachte es nicht weiter und konzentriere mich auf meine Vorbereitungen. Wieder scheppert es. Wieder reißt das Geräusch mich raus. Wieder lenke ich meine Konzentration auf meine Arbeit. Es kracht erneut. Und noch einmal. Und noch einmal. Was passiert da draußen nur, frage ich mich. Es gelingt mir nicht, das Krachen zu ignorieren. Jetzt bin ich endgültig raus. Durch das Wohnzimmerfenster sehe ich, dass Möbel aus einem Stockwerk über mir vor das Haus geworfen werden. Männer in Arbeitskleidung tragen die Teile in einen Kleintransporter mit der Aufschrift ‚Entrümpelung‘. Etliche Stunden setzt sich das so fort und ich finde erst am späten Abend in die Ruhe, den Unterricht weiter vorzubereiten.

Lärm Read More »

Ferienende

Sechs Wochen konnte ich frei entscheiden, was ich machen wollte und wann ich es machen wollte. Ich konnte mich stundenlang im Garten aufhalten und dort herumwerkeln, ich konnte ins Freibad fahren oder ein Buch lesen, ohne auf die Uhr zu schauen. Und jetzt hieß es wieder, mich in das Zeitkorsett der Schule zu zwängen. Ich fuhr zur ersten Dienstbesprechung am letzten Ferientag und spürte genau, wie sich mein Atemrythmus veränderte. Innerlich musste ich mich wieder auf eine feste Zeitstruktur einstellen. Das freie Fließen meiner Energie hatte ein Ende und die Inhalte, auf die ich meine Konzentration richtete, waren nun wieder vorherbestimmt. Ich musste mich mit Situationen und Konflikten beschäftigen, die in meinem Privatleben nicht vorkamen.

Ferienende Read More »

Pechsträhne

Angefangen hat es mit dem Auto. Die Tür hinten links ließ sich nicht mehr mit der Zentralverriegelung schließen. Es war die Tür, die ich neben der Fahrertür am meisten nutze. Ich musste den Knopf an der Tür zum Öffnen nach oben und zum Schließen nach unten drücken. Oft vergaß ich das und die Tür blieb unverschlossen. Ich ging also in meine gewohnte Werkstatt.“ Ja, das kann viel sein“, sagte der Mechaniker, „wenn Sie das ausbauen, schaue ich mir das an.“ Ich? Das Türschloss ausbauen? Dazu fiel mir nichts mehr ein. Die nächste Werkstatt machte mir einen Kostenvoranschlag von 380 Euro. Nein, auch das würde ich für die Reparatur nicht investieren. Die dritte KFZ-Werkstatt wollte 120 Euro, um sich die Tür „erst einmal genauer anzuschauen“. Da fragte ich mich, wie wichtig mir die Reparatur war. Sollte ich mich vielleicht daran gewöhnen, diese eine Tür von Hand zu öffnen und zu verschließen?
Dann fing mein Drucker an zu streiken. Ich konnte mit Hilfe von Youtube-Videos den Tintenauffangtank öffnen und die Pads darin ersetzen, aber der Drucker ließ sich nicht auf Null zurücksetzen. Na gut, dachte ich, ich brauchte auch nichts zu drucken, bis die Schule wieder anfängt.
Am Tag, bevor ich in Urlaub fahren wollte, ging ich zur Bank, um Geld abzuheben. Ich überprüfte erst meine Kontoein- und -ausgänge. Als ich meine EC-Karte in den Geldautomaten steckte, kam auf dem Bildschirm die Information: ‚Mit dieser Karte können keine Transaktionen durchgeführt werden. Wenden Sie sich bitte an Ihre Bank.‘ Ich war verblüfft. Was war denn jetzt los? Ich probierte andere Automaten, überall das gleiche. Und jetzt? Es war Freitagabend und ich wollte am nächsten Tag fahren. Ich nahm also stattdessen meine Kreditkarte mit. Wie war gleich nochmal die PIN?
Jetzt reichte es wirklich. Aber nein, entschied ich, ich lasse mich von der Pechsträhne nicht aus der Ruhe bringen. Es wird sich alles regeln lassen. Ich bleibe gelassen und gehe eins nach dem anderen an.

Pechsträhne Read More »

Donauwelle

Wir wandern im Pfälzer Wald und kommen mittags in einer Wanderhütte an. Wir stehen an der Theke und bestellen Essen. Hinter der Theke in der Küche sehe ich, wie jemand eine Donauwelle in den Kühlschrank stellt. Die bestelle ich mir nach dem Mittagessen, denke ich. Während wir auf das Essen warten, studiere ich das Kuchenmenü auf der Tafel an der Wand: Frankfurter Kranz, Mandarine-Quark und Marmorkuchen, steht dort in Drucklettern. Wir essen und bestellen danach Kaffee und Kuchen. „Ich glaube, auch Donauwelle gesehen zu haben,“ sage ich zu ihm, „auch wenn die nicht auf der Tafel stand.“ „Doch, doch“, sagt er, „die stand handschriftlich unter den anderen Kuchen.“ Ich schaue nochmal hin. Tatsächlich, da steht sie, Donauwelle. Ich bin perplex. Warum habe ich das übersehen? Anschließend frage ich mich: Was übersehe ich alles und bemerke es nicht?

Donauwelle Read More »

Bereichert

Ich lese gern, schon immer. Es gibt immer ein Buch, in dem ich gerade lese. Selten kommt es vor, dass ich gerade keins lese. Wenn doch, dann meist, wenn ich eins fertig gelesen habe und mich noch kein neues in den Bann gezogen hat. Ich liebe es, in die Bibliothek zu gehen. Dort kann ich nach Lust und Laune herumschmökern. Meist gehe ich dann mit vier bis sechs Büchern nach Hause, um eine Auswahl zu haben. Ich kann sie wieder zurückbringen und sie nehmen mir später keinen Platz in meinem Regal weg. Ich öffne jedes Buch mit der Neugier, wohin es mich wohl führen wird. Wem werde ich begegnen, was werde ich kennenlernen? Es ist eine Tür in eine neue Welt. Ich tauche in andere Länder, andere Zeiten und andere Leben ein. Ich fühle mich an die Hand genommen und ich werde durch mir Unbekanntes geführt. Ich kann Stunden dort verweilen oder auch nur mal zwei Seiten. Ich lerne Menschen und Lebenssituationen kennen, die außerhalb meines Horizonts liegen. Ich fühle mich durchs Lesen mal beglückt, mal überrascht … mal erschüttert, mal betrübt … mal verwundert. Aber immer bereichert.

Bereichert Read More »

Sommerferienglücksmomente

Morgens früh aufwachen und nicht aufstehen müssen. Einen Tee machen, mich wieder hinlegen und das Buch weiterlesen, bis mich der Frühstückshunger aus dem Bett treibt.
An einem heißen Sommertag irgendwo mitten im Wald auf einer Wanderung im Schatten Pause machen und den Duft des Harzes genießen, den die Bäume verströmen.
Die Fülle der mich reich beschenkenden Natur im Garten betrachten. Den gelben Zucchinis und orangenen Kürbissen, die durch ihr Blattwerk hindurchleuchten, zulächeln.
Im Garten in die Abendstimmung des sich neigenden Tages eintauchen. Der untergehenden Sonne nachschauen. Wahrnehmen, wie sich Vögel und Insekten langsam zurückziehen. Die zunehmende Ruhe und das schwindende Licht in mich aufnehmen.
Morgens barfuß durch das nasse Gras laufen. Die tausend kleinen Tautröpfchen an den Grashalmen bewundern.
Barfuß in den Beeten laufen. Die von der Sonne aufgeheizte Erde unter den Fußsohlen spüren. Sanft in ihr einsinken.
Gehalten werden.

Sommerferienglücksmomente Read More »

Gesprächsfäden

Ich frage Natalie, was sie im Moment gerade so beschäftigt. Spiritualität, sagt sie. Mehr nicht. Sie führt das Thema nicht weiter aus und ich frage nicht nach. Sie bringt das Gespräch auf etwas anderes und wir plaudern entlang dieses neuen Fadens. Erst später, als wir spazieren gehen, greift sie das Thema Spiritualität von sich aus nochmal auf. Es sei ein sehr persönliches Thema für sie, sagt sie, über das sie nicht so oft und auch nicht so offen rede würde. Sie fragt mich nach meinen Erfahrungen. Es entsteht ein tiefes und sehr persönliches Gespräch.
Ich erzähle Steffen in kurzen Zügen von transgenerationalem Trauma. Er fragt nicht weiter nach. Ich nehme einen weiteren Anlauf und reiße kurz an, was ich zu dem Thema über meine eigene Geschichte herausgefunden habe. Er fragt auch jetzt nicht nach. Das Gespräch endet da, entweder ist es ihm unangenehm oder es interessiert ihn nicht.
Welche Gesprächsthemen, frage ich mich im nachhinein, greife ich selbst nicht auf?

Gesprächsfäden Read More »

Gedankenlesen?

Das kriegt man, wenn man in dem Café ein Brötchen bestellt, sagt er ungehalten und hält mir sein unbelegtes Brötchen entgegen, das er von Hand in der Mitte zerteilt hat, ungleich und zerklumpt. Normalerweise kriegt man doch was drauf auf das Brötchen, beschwert er sich. Das gibt’s doch nicht, die geben einem einfach nur so ein Brötchen! Ich wundere mich, er hat doch genau das bekommen, wonach er gefragt hat. Ein Brötchen.

Gedankenlesen? Read More »

Gartenglück

In meinem Garten kann ich mich austoben, tun und lassen, was ich will, im Rahmen des Pachtvertrages natürlich. Ich habe alle Freiheit zu gestalten: Ich kann nur Gemüse anbauen oder auch nur Blumen. Und welches Gemüse ich anpflanze oder welche Blumen, liegt ganz bei mir. Ich kann eine halbe Stunde dort verbringen oder am Wochenende auch den ganzen Tag. Ob ich die Hecken schneide oder Beikraut entferne oder einfach nur die Sonne genieße, kann ich ganz frei entscheiden. Wann ich mit einer Arbeit fertig bin, liegt in der Natur der Sache. Genau dann wenn ich alle Bohnen geerntet habe oder alle Pflanzen gegossen habe, ist die Arbeit beendet, und nicht weil die Uhr es sagt. Ich kann auch Stunde um Stunde den Bienen zuschauen, wie sie von Blüte zu Blüte fliegen, um Nektar zu sammeln, oder meinen Blick schweifen lassen und schauen, zu welcher Arbeit ich als nächstes Lust habe. Oder ob überhaupt zu einer.

Gartenglück Read More »

Und gleichzeitig

Wir haben uns für das Wochenende locker für eine Wanderung verabredet. Da er sich nicht meldet, rufe ich ihn am Samstag an. „Oh“, ist seine Antwort, „das hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Ich habe den Sonntag anders verplant.“ Na gut, denke ich, dann nutze ich den Sonntag halt für den Garten. Da liegt noch so einiges an und es soll auch schönes Wetter sein. Ich genieße den sonnigen Tag im Garten und dann kommt doch Ärger in mir hoch. Ich merke, dass beides gleichzeitig da ist: Die Freude, im Garten noch ein Projekt zu Ende gebracht zu haben und der Ärger, dass er unsere wenn auch lockere Absprache für eine gemeinsame Wanderung einfach vergessen hat.

Und gleichzeitig Read More »

Nach oben scrollen