Christine Wanjura

Tapetenwechsel

Ich bleibe in den Sommerferien erstmal zu Hause und kümmere mich ausgiebig um meinen Garten. Ich genieße es auch, endlich keinen Zeitdruck zu haben. So verbringe ich viele Tage. Zwischendurch mache ich auch mal etwas Besonderes: Ich mache eine Radtour, gehe ins Freiluftkino oder mache einen Ausflug. Nach drei, vier Wochen wird es mir dann doch öde. Mein Umfeld bleibt unverändert, im Großen und Ganzen mache ich das gleiche wie zur Schulzeit, jetzt nur ohne Schule und ohne Zeitdruck. Ich denke auch öfter an die Schule. Ich komme gedanklich nicht davon weg. Ich muss raus, merke ich … ich brauche einen Tapetenwechsel. Ich will etwas anderes sehen, auf andere Gedanken kommen, und zu Hause in meiner gewohnten Umgebung will mir das nicht gelingen. Ich brauche frischen Wind.

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Sommerdialoge

Ich habe das Gemüse und alle Blumen im Garten gegossen und die Starkzehrer gedüngt. Nun sitze ich im Schatten und schenke allen meine Aufmerksamkeit. Den Buschbohnen erzähle ich in Gedanken, dass ich mich freue, dass sie so fleißig produzieren und wie gut sie schmecken. Den Süßkartoffeln erzähle ich, wie neugierig ich bin, wie viele Knollen sie wohl produzieren werden und dass ich sie ja erst in einigen Monate ausbuddeln kann. Bei den Johannisbeeren bedanke ich mich für die reiche Ernte und erzähle ihnen von den vielen Gläsern Marmelade, die ich gemacht habe und wie sehr ich mich beim Frühstück über die farbenfrohen Gelees auf meinem Brot freue. Den Stangenbohnen sage ich, wie schön ich ihre üppig rote Knospenpracht finde und den Tomaten, dass ich es kaum erwarten kann, ihre großen prallroten Früchte zu ernten und was ich alles aus ihnen machen werde. Die Blumen übergieße ich mit Komplimenten zu ihren prachtvollen Formen, der Farbe und dem Duft und erzähle ihnen, wie sehr ich sie liebe und genieße.

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Schönheit tanken

Heiß ist es. Die Pflanzen sind versorgt. Bienen und Schmetterlinge lassen sich von der Hitze nicht stören und fliegen und flattern von Blüte zu Blüte. Ich sitze im Schatten und lasse mich mit Schönheit auftanken. Ich lasse die Schönheit der hochgewachsenen orangenen Fackellilien, der satt orangegelbenen Taglilien, der bunten Kapuzinerkresse, der tiefroten Gladiolen, der roten, pinkfarbenen und weißen Flox ganz bewusst in mich hineinfließen. Jede Zelle meines Körpers kann sich mit der Lebensfreude auftanken, die diese Blumen ausstrahlen. Ich wünsche mir, diese Lebensfreude nun selbst auszustrahlen.

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Hallo Arschloch

Auf dem Parkplatz vor dem Haus fülle ich den Wassertank der Scheibenwischer in meinem Auto auf. Zwei Mal muss ich die Flasche in meiner Wohnung wieder füllen, so viel passt in den Tank. Als ich gegen Abend nach Hause komme, sehe ich im Hausflur einen Zettel kleben:
Hallo Arschloch
Ich hoffe, dass du an deinem destillierten Wasser verreckst
Du Wichser

Ich bin sprachlos. Heh …??? Ich verstehe gar nichts. Kann ich damit gemeint sein? Wieso destilliertes Wasser? Es war doch Leitungswasser, das ich nachgefüllt habe. Ich bin total irritiert und verunsichert. Wieso nur stört sich jemand daran, dass ich mein Scheibenwischerwasser auffülle? Das Thema beschäftigt mich noch viele Stunden lang und es taucht auch an den folgenden Tagen immer wieder in meinen Gedanken auf. Erst Tage später kriege ich Gesprächsfetzen im Hausflur mit, als eine Nachbarin erzählt, dass jemand den Kanister mit destilliertem Wasser, der vor ihrer Wohnungstür stand, geklaut hätte. Der Zettel hatte also gar nichts mit mir zu tun. Ich bin einerseits erleichtert und andererseits verwundert, dass ich das auf mich bezogen hatte.
Erst als ich die Geschichte verdaut habe, stößt mir die respektlose Sprache auf. Das wäre doch auch anders gegangen. Was für Nachbarn habe ich denn da?

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Un/versehrt

Unversehrte Menschen bewegen sich geschmeidig. Wenn sie sich beschwerlich bewegen, oder wenn sie stehenbleiben und sich mit der Hand an die Schulter oder den Rücken greifen, kann man eine Malaise vermuten. Bei Menschen mit Krücken, einem Verband oder gar einem Gips besteht gar kein Zweifel mehr an einem Gebrechen oder einer Verletzung. Nur die seelischen Verletzungen, die sieht man den Menschen nicht an. Vielleicht fällt der ein oder andere durch ein besonderes Verhalten auf, vielleicht scheut jemand den Augenkontakt oder setzt sich immer abseits … oder, oder. Aber was wissen wir schon über die seelischen Versehrungen der anderen.

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Wachsen

Ich bereite den Boden, ich setze Pflänzchen, ich gieße und dünge. Ich suche Schnecken fernzuhalten und lese sie ab, wo ich welche sehe. Der Rest geschieht von alleine. Ich kann die Pflanzen, das Gemüse und die Blumen mit Liebe betrachten. Mehr nicht. Ich habe keinen Einfluss darauf, wie schnell und wieviel sie wachsen, ob sie blühen oder Früchte tragen und wenn ja, wie viele. Mein Einfluss ist wichtig und doch sehr begrenzt. Ich kann ein jedes nur seinem eigenen Rhythmus überlassen und mich dem fügen.

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Kontaktlos

Ich treffe sie zufällig bei einem Spaziergang. Wir unterhalten uns. Sie redet und redet. Ich kommentiere etwas davon. Dadurch nimmt sie eine neue Spur auf. Und redet und redet. Ich reagiere wieder auf etwas, was sie sagt. Sie nimmt auch diese Spur auf. Sie redet. Ich unterbreche sie und sage ihr, wie es mir mit all dem Gesagten geht. Aber ich finde keinen Kontakt zu ihr und keinen dazu, wo sie gerade ist, was sie fühlt, wie es ihr selbst mit all diesen Themen geht. Als wir uns verabschieden, bin ich leer und völlig erschöpft.

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Umdenken

Ich muss meine Steuererklärung machen. Dafür möchte ich einen grauen verregneten Tag nutzen. Einen schönen Sonnentag dafür zu verwenden, finde ich Verschwendung. Und dann kommen nur Sonnentage. Ich schiebe die Steuererklärung vor mir her. Irgendwann wird es doch mal wieder regnen? Es regnet tatsächlich an einem Tag, nur liegt genau da etwas anderes an. Danach folgen Sonnentage, und so soll es eine Weile bleiben. Wies soll ich die Sache nun lösen? Ich schiebe die Steuererklärung weiter vor mir her. An einem Tag ist es so heiß, dass ich denke: Es ist so unerträglich draußen, es wäre doch eine gute Idee, bei der Hitze drin zu bleiben. Da macht es ‚klick‘ in meinem Kopf. Jetzt wäre die Gelegenheit, mich der Steuererklärung zu widmen. Und genau das tue ich dann auch.

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Hilfe anbieten

Ach, es ist so heiß, beklagt sich die 80jährige Frieda. Sie müsse morgen um 15 Uhr zum Arzt. Ihr graue schon davor. Ich biete ihr an, sie mit dem Auto abzuholen und wieder nach Hause zu bringen. Sie wohnt nicht weit von mir entfernt und ich tue ihr gerne den Gefallen. Sie überlegt. Ich hätte doch selbst so viel zu tun. Ja, sage ich, aber ich täte es gerne. Ich würde es ihr ja nicht anbieten, wenn ich es nicht könnte, füge ich hinzu. Das könne sie von mir doch nicht annehmen, sagt sie. Warum nicht, frage ich, wenn ich es ihr doch anbieten würde?
Ich hatte ihr das Angebot in Leichtigkeit gemacht, es war keine Mühe. Anstrengend und mühsam wird es an dem Punkt, wo wir anfangen zu diskutieren. Da wird es zu einem Gerangel und zäh und ich verliere die Freude. Warum ist Hilfe annehmen so schwer? Geht mir das auch so, frage ich mich?

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Die Linden blühen wieder

Die Linden blühen wieder und verströmen ihren betörenden Duft. Bei mir um die Ecke gibt es eine Lindenallee. Abends spaziere ich dort entlang. Es gibt sogar eine Bank. Auf der lasse ich mich nieder und tauche in den Lindenblütenduft ein. Ich lasse mich von dem Duft einhüllen und verzaubern.

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